Friedrich Achleitner, ein Architekt als Dichter
Wohnen et cetera
Für sein Opus magnum, den "Führer zur österreichischen Architektur im 20. Jahrhundert" hat er Österreich jahrelang bereist und architektonisch durchmessen. Gemeinsam mit H. C. Artmann und Gerhard Rühm war er einer der Autoren der "Wiener Gruppe".
8. April 2017, 21:58
"Die Sprache kann so wenig vermitteln von einem 'gelebten Leben'. Was beim Reden und Sich-Erinnern herauskomme, sei höchstens ein 'erzähltes Leben', also eine eigene, konstruierte Wirklichkeit", sagt der Schriftsteller und Architekt Friedrich Achleitner. Und zu erzählen hat er viel, feiert er doch dieser Tage bereits seinen 75. Geburtstag.
Landflucht
In Schalchen geboren, war für ihn schon als Jugendlicher klar, dass er die oberösterreichische Heimat verlassen würde. Im Krieg - so erzählt er - habe er stets mit seinem Bruder darüber gestritten, wer die Verdunkelung des gemeinsamen Zimmers besorgen sollte, bis er dem Bruder dezidiert erklärte: "Mach's du, es wird ja einmal deine Hütt'n sein".
Genützt hat es übrigens nichts; das elterliche Wohnhaus wurde zu Kriegsende zerstört. Die Arbeiten am Wiederaufbau waren für den begabten Zeichner Achleitner schließlich der Anstoß, Architekt zu werden.
Mehr Architekt oder Dichter?
Der Architekt als Dichter. Oder umgekehrt? "Die Lust auf die Literatur war zuerst da", sagt er. Schon früh wurde er als Autor und Mitglied der heute legendären "Wiener Gruppe" - gemeinsam mit Gerhard Rühm, Oswald Wiener und Konrad Bayer - bekannt. Er schrieb Dialektgedichte und konkrete Poesie, und er wirkte an Aufführungen des "Literarischen Cabarets" mit, wo schon mal ein Klavier zertrümmert wurde und die Dichter mit dem Roller in den Lesesaal fuhren.
Architektur-Theoretiker und -Kritiker
Erst später widmete sich der gelernte Architekt vor allem der Architektur-Theorie und der Architekturkritik. 1962 schrieb er zehn Jahre lang regelmäßige Architekturkritiken für die Tageszeitung "Die Presse" und schuf damit eine neue Qualität der Reflexion der Architektur in Österreich. Lange Jahre hatte er an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien den Vorstand der Lehrkanzel für "Geschichte und Theorie der Architektur" inne.
Bekannt wurde Achleitners "Führer zur Österreichischen Architektur im 20. Jahrhundert", eine genaue Begehung und Erkundung der Bundesländer, erschienen in Einzelbänden. Band drei über Wien ist derzeit in Arbeit.
Als Architektur-Kritiker und -Historiker publizierte Friedrich Achleitner viel, "Wohnen ETCETERA", "Aufforderung zum Vertrauen", "Die Ware Landschaft", "Nieder mit Fischer von Erlach" und viele andere kritische Stellungnahmen zur österreichischen Architektur sind erschienen. Bis heute schreibt er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften.
Der Schriftsteller und Mundartdichter
Nach seinen frühen Werken mit Artmann und Rühm wie etwa den Dialektgedichten "hosn rosn baa", "schwer schwarz" oder dem Band "die wiener gruppe" folgte 1973 der legendäre "Quadratroman", in dem er jeden Text in Quadratform gestaltete. 1991 veröffentlichte er neue Dialektgedichte unter dem Titel "KAAS", 1995 erschien "Die Plotteggs kommen". Dann war einige Jahre nichts von ihm zu hören.
Erst vor kurzem erschien im Wiener Zsolnay-Verlag der Band "Einschlafgeschichten". Seither ist auch der Autor Friedrich Achleitner wieder bei Lesungen und Veranstaltungen mit neuen Texten zu hören. Zu seinem eigenen Erstaunen ist dieses Buch nun sogar auf den Bestsellerlisten zu finden - kurze, eigenwillige Prosastücke, die - wie er selbst sagt - im Laufe der Jahre so nebenbei entstanden sind. Man kann nur hoffen, dass in den nächsten Jahren noch einige mehr davon zu hören und zu lesen sein werden.
Service
archINFORM - Friedrich Achleitner