Der Sinneseindruck als Wertmaßstab

Geschmack

Diese Woche bat Leporello seine Gesprächspartner um eine Wortspende zum Thema "Geschmack". Für den US-amerikanischen Medienkünstler Dennis Oppenheim ist es ein Mechanismus, dem man besser den Eingang in seine künstlerische Arbeit verwehren sollte.

Dennis Oppenheim, Carol Christian Poell, Willy Puchner

Ob erlesen oder exklusiv, gut oder schlecht - die Fähigkeit ästhetischer, modischer oder kulinarischer Urteilsbildung beschäftigt Designer bei der Abstimmung ihrer Produkte. Und so sind vom Süßheitsgrad der Erfrischungsgetränke bis zur farblichen Stimmigkeit von Bettvorlegern geografische und kulturelle Unterschiede bei Massenartikeln zu erkennen. Doch Leporello wollte diesmal von seinen Gesprächspartner wissen, welche individuellen Wertmaßstäbe sie heranziehen.

19. Mai 2005: Mechanismus

Als ich ein Student war, hatten wir am College jede Woche Präsentationen, wo Leute ihre Arbeiten zeigten und diskutierten. Und einmal brachte ich meine Arbeit und jemand fragte mich, weshalb ich ausgerechnet diese und jene Farbe verwende. Ich sagte, "oh, das ist einfach Geschmack". Ich dachte, es wäre in Ordnung das zu sagen. Darauf sagte der Professor: "Geschmack! Du nimmst Geschmack als Parameter zur Gestaltung deiner Arbeit? Das ist gar nicht gut…" Ich war überrascht, dass alle gegen mich waren. Aber dann sah ich ein, dass sie wohl recht hatten: Geschmack ist etwas sehr Frivoles.

Du kannst sagen, etwas sei geschmackvoll, wenn du an einem Möbelgeschäft vorbeigehst. Aber Geschmack ist ein Mechanismus, dem man besser nicht in seine künstlerische Arbeit Eingang gewähren sollte. Man sollte ihm widerstehen, denn Kunst operiert auf einer viel höheren Ebene als Geschmack. Das ist also meine kleine Geschichte über Geschmack.

Dennis Oppenheim, Künstler

19. Mai 2005: Erziehung

Geschmack ist nichts anderes als Erziehung. Weil was man gewohnt ist, was man nachvollziehen kann, ist für einen Geschmack, was man nicht nachvollziehen kann ist geschmacklos. Um das Wort Geschmack zu definieren braucht man einen Vorgänger. Alles andere ist geschmacklos. Deshalb ist es oft ein Hindernis, weil man seine Schablonen anlegt und sagt: okay, alles was in dem drinnen ist, ist für mich geschmacklich gut, alles draußen ist schlecht.

Warum passiert das? Weil man so erzogen ist. Das ist natürlich unsere Kultur. Andere Kulturen legen natürlich andere geschmackliche Maßstäbe an. Aber das ist natürlich persönlich, wie man erzogen worden ist, wo man aufgewachsen ist, was man erlebt hat. Und in diesem Sinn legt man auch geschmackliche Maßstäbe an.

Das Problem der Mode schlechthin ist, dass man etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt - das ist der Zeitgeist und Trend - etwas als geschmacklich gut definiert. Und jeder hat sich danach zu richten. Wer sich nicht danach richtet, ist geschmacklich schlecht. Dagegen bin ich sehr stark.

Carol Christian Poell, Modeschöpfer

19. Mai 2005: Unterschiede

Geschmack ist insofern spannend, weil es so viele Menschen gibt, die so unterschiedlichen Geschmack haben und sich auch über Geschmack definieren.

Es gibt welche, die sagen: "He, bitte, schau, was der für einen Geschmack hat" - und meinen dann damit, er hätte einen guten Geschmack. Und das ist so spannend an dem Geschmack, weil ich hab immer das Gefühl, schön ist, dass wir alle so verschiedenen unterschiedlichen Geschmack haben und uns dadurch unterscheiden.

Willy Puchner, Fotokünstler

Download-Tipp
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Links
MAK - CAT Open 2005: Carol Christian Poell
medienkunstnetz.de - Dennis Oppenheim
MAM Mario Mauroner Contemporary Art
Willy Puchner