Oder: Die Schiffsschraube auf der Ghega-Bahn

Mit Ressel durch Raum und Zeit

Raum und Zeit sind relativ. Erst recht im Internationalen Jahr der Physik. Eh man sich versieht, wird ein Ausflug vom Wiener Resselpark auf den Semmering zur sprunghaften Ideenreise zwischen Jahrhunderten und Kontinenten.

"Schraube ohne Ende zur Fortbewegung der Schiffe" - dieses Patent aus dem Jahr 1827 (damals Privilegium genannt) brachte der Schifffahrt buchstäblichen Antrieb und Josef Ressel brachte seine Erfindung zumindest ein Denkmal in Wien ein. Fünf Jahre nach seinem Tod gegossen und bis heute im Resselpark am Wiener Karlsplatz zu sehen.

Von dort führt die Straßenbahn zur Südbahn und zum EC1558 Joseph Ressel, der sich über den Semmering schraubt. Möglich gemacht hat dies Karl Ritter von Ghega, der Erbauer der Semmeringbahn. Ghega war übrigens ein Zeitgenosse Ressels und Ressel hat sich angeblich 1850 an der Ausschreibung für eine Semmering-Lokomotive beteiligt (wie der Triest-Kenner und Literat Günther Schatzdorfer in der "Wiener Zeitung" einmal schrieb).

Rastloser Bastler, beamteter Förster

Josef Ressel ist heute für die Schiffsschraube bekannt, doch hat er Dutzende Erfindungen gemacht: z.B. ein Rohrpost-System, Kugellager, einen pneumatischen Apparat zur Beförderung von Mineralien und Menschen oder eine Methode zur Seifenherstellung. (Ob wohl Mediziner schon vor 170 Jahren vor übertriebener Hygiene in Zusammenhang mit Allergien und Asthma gewarnt haben? So wie zuletzt am Welt-Asthmatag angesichts von 30 Millionen Asthma-Patienten allein in Europa?)

All seine Erfindungen ertüfftelte Ressel so nebenbei. Denn hauptberuflich war er Förster bzw. "Marinewaldagent" im Dienst der Kriegsmarine und "Marineforstintendant". Den Beamten aus Chrudim im damaligen Böhmen verschlug es 1835 nach Montona (heute Motovun in Kroatien) und 1839 nach Venedig. Ressel kartierte u.a. die Wälder um Görz (Gorica/ Gorizia) und pflanzte Eichen auf die trockenen Böden der Insel Veglia (heute die Ferieninsel Krk).

Schiffsschraube im Kaffeehäferl

Ressels Schiffsschraube wurde erstmals im August 1829 mit dem Dampfschiff "Civetta" im Hafen von Triest erprobt. Der Heckantrieb sprudelte wie vorgesehen, doch ein Fehler in der Dampfanlage stoppte die Fahrt und das antrieblose Schiff musste in den Hafen zurückgeschleppt werden. Die Behörde verbot weitere Versuchsfahrten.

Stichwort Sprudeln: Heute wird in Triest Milch gesprudelt und zwar wissenschaftlich. Laut Forschungslabor des Kaffeerösters Illy schäumt sie am besten bei 37 Grad Celsius und auch im Capuccino sollte sie 60 Grad nicht übersteigen

Leichter schnell sein

Auf der Gedankenreise ausgehend von Resselpark und Semmering ist Montona/ Motovun in Istrien vielfacher Wegweiser für unerwartete Zusammenhänge: z.B. stammt aus Ressels zeitweiligem Dienstort Mario Andretti - 1978 Formel-I-Weltmeister mit dem Lotus 78 im schwarz-goldenen John-Player-Special-Design. Um wie viele Zehntelsekunden wäre Andretti wohl schneller gewesen, hätte er auf die Lackierung seines Wagens verzichtet? So wie der Aluminium-belassene Mercedes-Benz-Silberpfeil Jahrzehnte zuvor? (Das Exemplar des Technischen Museums Wien ist derzeit einer von "lauter Helden" bei der gleichnamigen niederösterreichischen Landesausstellung am Heldenberg.)

Den neuen AIRBUS A380 z.B. besch(w)erte allein die weiße Lackierung 700 Kilogramm (wie "Die Welt" berichtete). Abgespeckt hat die neue Langstreckenmaschine allerdings bei den Nieten: Die Bleche an der unteren Rumpfschale werden stattdessen mit Laserstrahl verschweißt ("Format-Science"). Das spart Gewicht und Kosten.

Wie wirklich ist ein Weltmeister?

Die gedankliche Reise auf Ressels Spuren zweigt nach Kalifornien ab: Dort keltert Mario Andretti heute Wein und damit wären wir bei Paul Watzlawick, der seit 1960 in Kalifornien am Mental Research Institute in Palo Alto forscht. Die Exkursion Motovun-Kalifornien mündet damit neuerlich in Triest, wo Paul Watzlawick laut einem "Weltwoche"-Interview zwischen 1945 und 1950 in der Kriminalerhebungsabteilung tätig war. Triest war damals übrigens Freistaat. Watzlawicks Forschungsgegenstand: Selbstmorde.

Auch wenn heute kaum jemand nach Motovun wegen Josef Ressel pilgert, ins Mirna-Tal zu Füßen Motovuns pilgern jedes Jahr zwischen Oktober und Dezember hunderte Gourmets und Gourmands auf der Suche nach weißen Trüffeln. Auch hier ein Weltmeister: 1,31 Kilogramm brachten 1999 einer der erdigen Geschwülste den Titel "größte weiße Trüffel der Welt" ein.

Unerreichbar? Das ist zumindest der Ort Motovun 277 Meter hoch auf seinem Hügel. ("Montona" nennen die Italiener doppeldeutig den Ort.) Unerreichbar für Autos nämlich. Eine altbewährte (sprich mittelalterliche) Maßnahme, die hierzulande auch bei mehrmals überschrittenen Feinstaub-Grenzwerten nicht durchsetzbar ist.

Acqua alta am Bergsee "Adria"

Ein Löwe aus dem Jahr 1322 auf einem Brunnen in Motovun ist der nächste Wegweiser auf der Gedankenreise und zeigt nach Venedig, wo Ressel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wiederholt als Förster im Dienst der Marine stand.

Zwischen 1300 und 1797 war der Großteil Istriens venezianisch. Von der Westküste Istriens aus und bei klarem Wetter erscheint Venedig mit den Alpen im Rücken am gegenüberliegenden Ufer eines großen Bergsees zu liegen. Doch bei acqua alta verschwindet die Idylle und heute investiert Italien sechs Milliarden Euro in versenkbare Wassersperren, um die Stadt vor dem buchstäblichen Untergang zu bewahren.

Und so wie Ressels Privilegium Nr. 746 aus dem Jahr 1827 auf "Schraube ohne Ende zur Fortbewegung der Schiffe" lautet, so könnten die Gedanken ohne Ende weiter springen. Wo wohl eine Stichwortreise mit Karl Ritter von Ghega hinführt?