2 Produktionen bei den Wiener Festwochen

Luk Perceval

Luk Perceval wurde in Österreich mit seinem Shakespeare-Marathon "Schlachten" bekannt. Bei den Wiener Festwochen ist er mit Tschechows "Onkel Wanja" vertreten und mit Marius von Mayenburgs "Turista", das er als große europäische Metapher inszeniert.

In einer Koproduktion mit der Berliner Schaubühne hat der belgische Theaterleiter und Regisseur Luk Perceval für die Wiener Festwochen die Uraufführung von Marius von Mayenburgs "Turista" mit einem 24-köpfigen internationalem Ensemble inszeniert. Und in einem Gastspiel seines eigenen Theaters, des XY aus Antwerpen zeigt er eine Inszenierung von Tschechows "Onkel Wanja".

Für das Ö1 Künstlerzimmer hat Luk Perceval mit Maria Rennhofer über diese beiden Werke gesprochen, über die Theatersituation in Belgien und über den Beitrag, den das Theater für die Bildung einer europäischen Identität spielen kann.

Europäische Dimension
Ein Kind wird auf einem Campingplatz im belgischen Waterloo tot aufgefunden. Aus sechs unterschiedlichen Perspektiven wird der mögliche Tathergang erzählt. Marius von Mayenburgs Stück "Turista" nennt Regisseur Luk Perceval eine mitteleuropäische Menschenzustandsbesichtigung im Geist von David Lynch.

Die Personenführung des 24-köpfigen internationalen Ensembles ist für Luk Perceval eine der großen Herausforderungen des Stücks. Und Perceval geht die Sache mit Engagement an, sieht er im Ausgleich multikultureller Interessen auch die Aufgabe, vor der Europa steht. Belgien mit seinen drei Sprachen sei daher ein europäischer Musterfall. Europas kulturelle Identität sei geprägt durch kulturelle Differenziertheit und das zeige auch das neue Stück.

Entromantisierter Tschechow

Als zweite Inszenierung zeigt Luk Perceval Tschechows "Onkel Wanja" auf flämisch, mit dem eigenen Ensemble. Die belgische Kritik hat seine Inszenierung als radikale Deutung bezeichnet. Perceval bezieht sich in seiner Arbeit auf die Briefwechsel zwischen Tschechow uns Stanislavski, der die meisten Stücke des Dichters uraufgeführt hat.

Darin zeigt sich, dass Tschechow mit der Romantisierung der Stücke nicht einverstanden war. Perceval versucht dem eine naturalistische Deutung entgegen zu stellen und stellt sich Fragen nach der "eigentlichen" Lebenswirklichkeit auf dem Land.

Retter des (belgischen Staats-)theaters

Perceval hat das belgische Staatstheater vor zehn Jahren am Zeitpunkt des künstlerischen Bankrotts übernommen, wie er sagt. Im Zentrum seiner Arbeit steht ein Theater, das sich von Traditionen befreit und mehr mit dem Leben seiner Besucher zu tun haben will. "Schlachten" war dafür ein gutes Beispiel: Shakespeare, aber von heute.

Natürlich könne Theater letztlich Realität nicht verändern. Da nützte es auch nichts, den "Tod eines Handlungsreisenden" nicht in den USA der 1950er Jahre, sondern im heutigen Belgien anzusiedeln, auch wenn das für Perceval der einzig richtige Weg ist. Seit zweieinhalb Jahrtausenden werde Theater gespielt und die Stoffe seien im wesentlichen immer die gleichen, meint Perceval. Was Theater aber leisten kann, so der belgische Regisseur, das ist, für kurze Zeit das Gefühl der existenzielle Einsamkeit aufheben.

Links
Wiener Festwochen - Turista
Berliner Schaubühne - Turista
The Toneelhuis - Turista
Wiener Festwochen - Onkel Wanja
The Toneelhuis - Oom Vanja
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