Gehen Lassiter & Co. in Pension?

Showdown für den Heftroman

Die einfach zu verstehenden, vollkommen unanstrengend zu lesenden Groschenromane, bei der am Ende auch noch der Traumprinz erscheint, waren - betrachtet man die Verkaufszahlen - bis in die 70er Jahre die begehrteste Gegenwartsliteratur. Jetzt geht's abwärts.

Südbahnhof, Bahnhofskiosk. Als ich ihn betrat, ging die Verkäuferin gerade die Inventurliste bei den Heftromanen durch. Das machte mich neugierig. Vor ein paar Jahren hatten Gerhard Moser und ich ein Feature über Groschenromane gemacht. "Und", fragte ich die Verkäuferin, "wie viele verkaufen Sie davon?" - "Von den Heftln, wenig", gab sie zur Antwort und fügte hinzu: "Meist nur ein bis zwei Stück am Tag. Früher waren's mehr." Nicht notwendig, irgendetwas nachzubestellen. "Silvia" nicht, "Jerry Cotton" nicht, keine Arztromane. Und das an einem Ort, wo früher die Nachfrage garantiert war.

Was ist los mit Jack Slade und Ringo Hurricane, mit Jason Dark und A. F. Morland, mit Loni Wegainer und Andreas Kufsteiner. Haben sie ihr Gespür für Fürsten und Falotten verloren? Wer immer sich hinter den Pseudonymen verbirgt, vor gut zehn Jahren verkauften sich ihre Fallen und Flinten jährlich noch 160-millionenfach im deutschsprachigen Raum.

Apropos Pseudonyme, in Florisdorf interviewten Gerhard Moser und ich damals einen Western-Heftl-Autor. Er gab uns eine Kostprobe, setzte sich an die Schreibmaschine, jawohl, Schreibmaschine! und hämmerte drauflos:

Zwei Revolver und Andy Crockers entschlossene Affenvisage, das war ziemlich viel auf einmal. Trotzdem grinste Lassiter.

In Gänserndorf trafen wir einen anderen Groschenheft-Autor, der von "Perry Rhodan" bis zum Heimat- und Liebesroman alles abdeckte.

Doch wer glaubt, mit den 64-seitigen Kleinkunstwerken ließe sich auf die Schnelle gutes Geld verdienen, der irrt. Die Honorare sind erbärmlich. Einige Profis verdienen rund EUR 1.000 für ein Manuskript, Nebenerwerbsautoren nur die Hälfte. Kein Wunder, dass es Autoren und Lektoren mit der Sorgfalt der Texte nicht so genau nehmen.

Vor allem mit der Beschreibung der Liebe hat der Heftroman so seine Schwierigkeiten: Zwar wird gestreichelt, geküsst und in die Arme genommen, doch im entscheidenden Augenblick bleibt die Schlafzimmertür zu. Hängt der Niedergang der Heftln damit zusammen, dass es in deren Scheinwelt recht bieder zugeht? Ich machte die Probe aufs Exempel. Kaufte den ersten Gruselroman, der mir auffiel, schlug in der Mitte auf und las:

Die Hexe war grausam und böse, hinterlistig und gemein. Sie war eine Teufelsbraut, eine Hexe, vor der man sich in Acht nehmen musste.

Naja, da erzählt meine zwölfjährige Tochter eindeutig bessere Gruselgeschichten. Andererseits habe ich nicht das Gefühl, dass die Zeiten für Kitsch schlechter stünden als ehedem, und um das zu behaupten, muss man nicht täglich durch die Fernsehlandschaft zappen. Nein, am nachlassenden Interesse für Kitsch und Klischee kann es nicht liegen, wenn den Heftln die Käufer ausgehen. Schon eher daran, dass ein junger Leser mit einem Heftroman in der Straßenbahn ungefähr so wirkt wie seine eigene Großmutter, out und uncool. Alles hat seine Zeit, und der Heftroman hat wohl die Chance zum Relaunch endgültig verpasst.

Die 64-seitige Trivialliteratur hat sich aber lange gehalten: 1905 erschienen im deutschen Sprachraum die ersten Heftromane. Es waren Übersetzungen amerikanischer "dime-novels". Die Helden von damals hießen Buffalo Bill und Nick Carter, "Amerikas größter Detektiv". Seinen Durchbruch verdankte der Heftroman vor allem dem Niedergang des Kolportageromans, der mit endlosen Folgen die Treue seiner Leserschaft einfach überschätzt hatte. Das Erfolgsrezept der Hefte, Trivialliteratur zum Quadrat: sprachliche Klischees, Stereotypie bei der Figurenzeichnung und eine Handlung, die ein ausgewogenes Spiel von Dissonanz und Harmonie hält.

Bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts gab es keine echte Krise für den Groschenroman. Die einfach zu verstehende, vollkommen unanstrengende Lektüre, bei der am Ende auch noch der Traumprinz erscheint - war, betrachtet man nur die Verkaufszahlen, die begehrteste Gegenwartsliteratur. Und nun sind die 100-jährigen Heftln auch äußerlich so alt geworden, wie sie es im Inneren von Anfang an waren. In der Glotze kommen sie eben besser, die Blauäugigen und Breitschultrigen, die edel und einsam dem Sonnenuntergang entgegenreiten, bis an ihr seliges
- ENDE -.