Design für den Magen
Food-Design
Nicht nur Autos, Kleider und Möbel, auch unsere Nahrung wird "designed". Eine Vielzahl von Lebensmitteln wird zielgerichtet und marktgerecht konstruiert - damit sie so schmecken und aussehen, wie der Verbraucher dies angeblich wünscht.
8. April 2017, 21:58
"Essen folgt denselben Designpunkten wie ein Lichtschalter oder ein Auto", behaupten die Architekten und Designforscher Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter in ihrem kürzlich erschienenen Buch "Food Design".
Heere von Designern und Technikern gestalten praktisch jedes am Markt erhältliche Produkt bis ins kleinste Detail. Bei der Gestaltung von Pasta, Tiefkühlgemüse oder Kaugummis wird genauso wenig dem Zufall überlassen wie beim Design von Ferraris oder Alessi-Tassen.
Beim Essen geht es um mehr als um reine Kalorienzufuhr. Der Begriff "Food Design" ist zwar keine 50 Jahre alt, das Bedürfnis Essen zu gestalten scheint aber so alt zu sein wie der Mensch selbst. Zu den ältesten bekannten Beispielen essbarer Produktgestaltung zählen Backprodukte, deren Gestaltung Symbolcharakter hatte.
Brezel und Kranz galten beispielsweise als Symbol der Einheit und Verbundenheit. Das Flechten von Germteigzöpfen erinnerte an frühe Opfergaben, bei denen Frauen ihre geflochtenen Haarzöpfe darbrachten. Auch wenn religiöse Aspekte heute kaum mehr eine Produkt gestaltende Rolle spielen, hat die Form - der Zopf - überlebt.
Die schützende Hülle
Auch Überlegungen zum Haltbarmachen prägten schon seit Jahrhunderten das Aussehen zahlreicher Esswaren. So wurden etwa minderwertiges Fleisch und Innereien mit konservierendem Salz in Tierdärme gefüllt: die Wurst war geboren.
Das Aussehen von Würsten war lange geprägt von der Größe des verwendeten Darms, aber die typische Form überdauerte auch die Entwicklung des Kunstdarms in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Das Prinzip des schützenden Überzugs wird mittlerweile bei vielen Esswaren angewandt, etwa beim Kaugummi. Die Kautschukmasse wird mit einer Zuckerlösung dragiert und sorgt nicht nur für die Stabilität der Form, sondern auch für den knackigen ersten Biss. Auch die Schokohülle der Sachertorte folgt diesem Prinzip: sie wirkt konservierend, erhält auch bei langen Transporten die Form und ist auch ein wesentlicher Geschmacksfaktor.
Teilbarkeit als Prämisse
Die Wiege vieler moderner Produkte wie Suppenwürfel oder Ketchup liegt in der beginnenden Massenfertigung, die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzte. Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet letztendlich der Kunde. Form und Geschmack der Essware sind für den Käufer dabei genau so entscheidend wie Geruch, Farbe, Textur, Haptik und Teilbarkeit. Gerade letzteres setzt neue Maßstäbe im Food-Design.
Vorproportionierte Lebensmittel schaffen Flexibilität bei Verbrauch und Aufbewahrung. Zu den ältesten vorproportionierten Produkten am Lebensmittelmarkt zählt der Würfelzucker - der übrigens nie die Form eines Würfels sondern immer die eines Quaders hatte.
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Buch-Tipp
Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter, "Food Design", Verlag Springer, ISBN 3211235124