Papier für die "Wiener Zeitung"

Sie schreiben Geschichte VII

Unter dem Motto "Schreiben Sie Geschichte" hat die "Wiener Zeitung" ihr Publikum eingeladen, Fotos, Dokumente und persönliche Schilderungen einzusenden, die die Jahre 1945 bis 1955 illustrieren. Auszüge daraus finden Sie auch hier.

Seit ihrer Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg wird die "Wiener Zeitung" in der Familie meines Mannes im Abonnement bezogen. Wie das Papier, das damals Mangelware war, mühsam von Gloggnitz nach Wien geliefert wurde, davon konnte mir mein Schwiegervater, Rudolf Handl, geb. 1932, aus seiner eigenen Erfahrung berichten. Er hatte nämlich an einer solchen Lieferfahrt mit dem Holzgas-LKW teilgenommen.

Nach Ende des Krieges war sein Stiefvater, Josef Ellissen, Direktor der Neusiedler Papierfabrik in Stuppach bei Gloggnitz geworden. Das Werk war von Bombentreffern verschont geblieben und hatte wenige Wochen nach Kriegsende bereits wieder seine Produktion aufgenommen.

Die Fabrik hatte zwei LKW, die auf Holzgasbetrieb umgebaut worden waren. Hinter der Fahrerkabine stand ein großer Heizkessel, der mit klein geschnittenem Buchenholz beheizt wurde. Durch ein eigenes Verfahren wurde aus dem Holz Gas gewonnen und das Holzgas in einem Behälter gespeichert. Mit dem Gas wurde der Verbrennungsmotor betrieben, was aber oft mit einem starken Leistungsabfall verbunden war.

Schon um vier Uhr in der Früh kam der Beifahrer Herr Kunert und beheizte den Kessel. Nach einer Stunde war soviel Gas produziert, dass der Lastwagen zur Laderampe rollen konnte. Dort lagen bereits vier bis fünf Rollen Papier, jede mit einem Gewicht von 2.000 bis 2.300 Kilogramm, zur Verladung bereit. Sie wurden händisch mit Hilfe von Seilen über die Rampe auf die Ladefläche des LKW gezogen.

Außerdem musste natürlich auch Holz zum Nachheizen in Säcken aufgeladen werden. Um sechs Uhr früh waren diese Arbeiten abgeschlossen und die Fahrt nach Wien begann.

Herr Wolf, der Fahrer, war bereits zwei Stunden unterwegs und doch war man nicht einmal noch in Traiskirchen, da musste angehalten werden zum Nachheizen. Das dauerte etwa eine halbe Stunde, die Weiterfahrt führte dann über den Wiener Berg, der durchaus ein Hindernis war, nach Wien, wo man etwa um zehn Uhr beim Lager der "Wiener Zeitung" ankam. Während das Papier abgeladen wurde und einige Besorgungen für die Fabrik erledigt wurden, heizte der Beifahrer tüchtig, sodass zu Mittag die Rückfahrt beginnen konnte.

Nach zwei Stunden Fahrt erreichten die beiden LKW-Fahrer einen kleinen Heurigen, genannt "Resi Tant’", bei Theresienfeld. Während wieder der Kessel beheizt wurde, fand ein Tauschhandel statt. Gegen Papier für den Fleischhauer erhielten Fahrer und Beifahrer je ein Schmalzbrot und ein Viertel Wein. So gestärkt traten sie den letzten Teil der Heimreise an.

Mühsam wurde der kleine Hügel hinter Neunkirchen, der Petersberg, im zweiten Gang erklommen, um sechzehn Uhr trafen die beiden schließlich wieder in Stuppach ein.

Diese Fahrten mit dem Holzgas-LKW wurden etwa alle 14 Tage in den Jahren 1945 und 1946 durchgeführt.

Tipp
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Wochenendausgabe der Wiener Zeitung. oe1.ORF.at liefert Ihnen einen Auszug aus der Serie "Sie schreiben Geschichte" immer schon ab Freitag. Diesen und weitere Beiträge finden Sie in der Samstag-Ausgabe der Wiener Zeitung. Die Aktion läuft bis 14. Mai.

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