Den Schmetterlingen auf der Spur

Warum wir lieben

Schmetterlinge im Bauch kennt jedeR. Ungewöhnliche und neue Einblicke ins Sich-Verlieben bietet jetzt die Anthropologin Helen Fisher. Anhand von Bahn brechenden Studien mit Frischverliebten beschreibt sie die biologischen Grundlagen der Liebe.

Manche Ideen kommen so unvermittelt wie Liebe auf den ersten Blick. So erging es Helen Fisher, als ihr der Grundgedanke für ihr Buch, "Warum wir lieben", einfiel: "Vielleicht haben sich beim Menschen drei neurologische Systeme zur Paarung und Fortpflanzung entwickelt: Erstens der Sexualtrieb, zweitens die romantische Liebe mit dem Hochgefühl, und schließlich Bindung, das Gefühl von Ruhe und Sicherheit."

Kann man Liebe messen?

Die Anthropologin Helen Fisher befasst sich seit Jahren mit den biochemischen und evolutionsgeschichtlichen Aspekten von Liebe, Lust und Beziehungen. Für ihr jüngstes Buch stellte sie sich die Frage, ob und wenn ja in welcher Form der Zustand des Verliebtseins im menschlichen Gehirn messbar sei.

"Depression, Beklemmung, Angst sind als Erfahrungen anerkannt", erzählt sie, "aber romantische Liebe halten wir für etwas Übernatürliches. Jeder ist schon mal verliebt gewesen. Ich dachte mir, das müsse messbar sein. Glücklich sein ist zu diffus, um es zu quantifizieren. Aber romantische Liebe ist handfest genug."

Die Magnetresonanz bringt es an den Tag

Um ihre Theorie zu beweisen, steckte Helen Fisher Männer und Frauen, die zu diesem Zeitpunkt gerade bis über beide Ohren verliebt waren, in die Röhre eines Magnetresonanz-Tomografen. Und das fand sie dabei heraus:

"Am wichtigsten ist die Aktivität im so genannten ventralen Tegmentum, wo Dopamin erzeugt wird. Dieses natürliche Aufputschmittel verteilt sich dann auf andere Hirnregionen", erklärt Fisher ihre Ergebnisse. "Außerdem beobachteten wir Aktivität im Nucleus caudatus. Dort befinden sich 80 Prozent der Rezeptoren, die Dopamin aufnehmen. Beide Regionen gehören zum Belohnungssystem des Gehirns."

Liebe ist Sucht

Der Dopamingehalt ist bei einem Verliebten also zu hoch, der des Serotonin hingegen zu niedrig. Diese Kombination sei, so Helen Fisher, auch bei Drogensüchtigen zu finden. Die Anthropologin beschreibt die Parallelen zwischen Sucht und romantischer Liebe so:

"Verliebte verzehren sich nach der anderen Person. Sie müssen die Dosis erhöhen, also den geliebten Menschen immer öfter sehen. Wenn sie verlassen werden, gehen sie wie Drogenabhängige durch einen Entzug. Und sie können auch genauso rückfällig werden."

Unser Reptilien-Erbe

Der erwähnte Nucleus caudatus, der bei Motivation und Belohnung mitspielt, ist evolutionsgeschichtlich eine primitive Region. Sie wird häufig auch Reptilienhirn genannt. Sie entwickelte sich, noch ehe es Säugetiere gab. Das will nicht besagen, dass Krokodile romantische Liebe empfinden, doch es scheint für Helen Fisher erwiesen, dass es im Tierreich sehr wohl Vorläufer der romantischen Liebe in Form von Präferenzen für ein bestimmtes Individuum gibt.

Drei Stufen der Fortpflanzung

Wenn alles gut geht, dann kann der verliebte Mensch an kaum etwas anderes denken und vernachlässigt Freunde, Familie und Pflichten. Wird man verlassen, folgt der langwierige und schmerzliche Prozess des erzwungenen Abnabelns. Helen Fisher erklärt den Sinn der romantischen Liebe im evolutionsgeschichtlichen Sinn so:

"Alle drei Hirnsysteme spielen eine wichtige Rolle in der Fortpflanzung. Der Sexualtrieb bewirkt, dass man sich erst einmal nach allem und jeden umsieht; durch die romantische Liebe konzentriert man sich auf einen Partner und spart damit Zeit und Energie; Bindung hat zur Folge, dass man die andere Person zumindest so lange aushält, bis man gemeinsam ein Kind großgezogen hat."

Keine Entmystifizierung

Als nächstes wird die Autorin die biochemischen Grundlagen von Bindung, also das Stadium nach der Verliebtheit, analysieren. Dazu gibt es bisher nur Studien über Präriewühlmäuse.

Manchmal bekam Helen Fisher den Vorwurf zu hören, dass ihre Forschung über die biochemischen Grundlagen des Verliebtseins die romantische Liebe entmystifiziere. Das bestreitet die Autorin mit einem Vergleich: "Ich mag zwar jede einzelne Zutat eines Schokoladekuchens kennen, und dennoch setzt man sich hin und genießt ihn, empfindet Freude am Geschmack der Schokolade."

Buch-Tipp
Helen Fisher, "Warum wir lieben. Die Chemie der Leidenschaft", Patmos Verlag, ISBN 3530421871

Hör-Tipp
Das "Radiokolleg" von 2. bis 4. Mai 2005, 9:05 und 22:15 Uhr, ist ebenfalls dem Verliebtsein auf der Spur.
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