Sängerin der Gegensätze

Billy Holiday wäre 90

Was bleibt vom Ruhm? Es sind Erinnerungen. Doch welcher Art sind diese? Sind es tatsächlich Qualität - oder zumindest die Vorstellung davon? Am Beispiel von Billy Holiday, die vor 90 Jahren geboren wurde, versucht Giselher Smekal diese Frage zu lösen.

Mandelförmige Augen, volle Lippen, ein seidiger Teint - das waren die Merkmale, mit denen die Boulevardpresse Billy Holiday beschrieb. Lady Day wurde sie genannt und: Queen Nofretete. Wie schwer hat es eine schöne Frau , wenn es eigentlich nicht um Schönheit geht?

Verbotene Früchte

Am 7. April 1915 wurde Billy Holiday in Philadelphia geboren. 17 Geschwister habe sie gehabt, dreizehn Jahre alt sei ihre Mutter bei der Geburt gewesen, und der Vater sei ein irischer Plantagenbesitzer gewesen.

Die Widersprüche in der Biografie sind unbedeutend. Wichtig ist in der Erinnerung, dass Billy Holiday eine unglaubliche Ausstrahlung hatte, die auf wenigen Filmdokumenten zu erahnen ist. Und ihr Gesang - und damit sind wir endlich beim wichtigsten - war einzigartig.

Privat gab sie sich als "Macho" und wurde in der Count Basie Band "William" genannt. Sie war sicher eine starke und impulsive Frau, doch ihre Gefühlswelt war chaotisch. Ihr Song "Strange Fruit", deren Text sie schrieb, macht es evident.

Die Stimme für das Mikrofon

Billy Holiday sang von ihren Gefühlen und Obsessionen. Und wurde dadurch bekannt. Ihre Stimme selbst war nicht großartig. Aber sie war die erste "Mikrofon-Stimme". Sie wusste, das Mikrofon zu benutzen, um damit die Botschaften der Song-Texte deutlich zu übermitteln.

Manchmal sang sie haarsträubend falsch - und brachte die Producer zum Wahnsinn - und behielt doch Recht, weil sie mit ihrem Ausdruck den Inhalt des jeweiligen Songs in einzigartiger Weise weitergeben konnte.

Gesang, um nicht zu weinen

Ein Lied ist ein fertig komponiertes Musikstück, bei dem die Sängerin den Text singen muss. Doch Billy Holiday verkehrte diesen Modus: Sie arrangierte alle Instrumente um sich herum. Sie inszenierte "Hörspiele", in deren Mittelpunkt ihre Stimme stand, ihre eigentlich kleine und verletzbare Stimme.

Jede Aufnahme wurde zur Inszenierung. Aus Mitschnitten von Proben in ihrer Wohnung ist deutlich zu erfahren, wie Billy Holiday daran arbeitete, ein optimales Styling in den Auftritten zu bieten.

Eine perfekte musikalische Partnerschaft gab es mit dem Saxofonisten Lester Young, dessen psychische Situation ähnlich der von Billy Holiday war. Allerdings gibt er keine Hinweise auf eine besondere Beziehung der beiden. Dennoch ist es bemerkenswert, dass Billy Holiday vier Monate nachdem Rod von Lester Young starb, am 17. Juli 1959 um 3:00 Uhr im Metropolitan Hospital New York, Zimmer 6A12.

"Ö1 Jazznacht" mit Konzerthöhepunkten

1968 traten der Trompeter Lee Morgan und der Saxofonist Cliff Jordan im "Royal Ams" in Baltimore auf. Begleitet wurden sie von John Hicks, Klavier, Reggie Workman, Bass, und Ed Blackwell, Schlagzeug.

Das zweite Konzert dieser Jazznacht wurde 2002 im "Village Vanguard" in New York aufgenommen, wo der Saxofonist Chris Potter mit seiner Band ein Konzert gab, gekonnt wandelnd auf dem Weg zwischen Avantgarde und Mainstram.

CD-Tipp
Billie Holiday, "Easy Living", Naxos Jazz Legends 8120545

Hör-Tipp
"Die Österreich 1 Jazznacht", Samstag, 7. Mai 2005, 23:35 Uhr

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Links
Lady Day - Billie Holiday
Billie Holiday