Leben für die Freiheit
New Hip Hop und Old New Wave
Beim Donaufestival diese Woche werden einige der derzeit interessantesten Vertreter des Abstract-Hip-Hop zu Gast sein und das "Fluc im Exil" präsentiert "Berlin Super 80", umgeben vom Hauch des einstigen Lebensgefühls. Ein Zeitdokument.
8. April 2017, 21:58
Dälek aus dem Album "absence"
Den meisten Platz im Programmheft widmen die Veranstalter des Donaufestivals auf den Seiten zum Freitag, 29. April 2005 Saul Williams, der da mit dem schönen Satz zitiert wird:
I am a poet who composes what the world proses and proses what the world composes.
Abstract-Hip-Hop beim Donaufestival
Saul Williams hat vom Donaufestival den Auftrag bekommen, den Freitag, 29. April 2005 zu gestalten und er hat hierfür prominente Freunde und Wegbegleiter eingeladen, namentlich Beans, Martin Luther, Suheir Hammad und Beau Sia, DJ Nobody, DJ Frosty und Airborn Audio. Letztere mussten aber leider kurzfristig absagen.
Ursprünglich aus der amerikanischen Spoken-Word-Szene kommend, hat sich Saul Williams in den letzten Jahren nicht nur als Poet, MC und Musiker einen Namen gemacht, sondern auch als Schauspieler und Autor, etwa mit seinem vielfach ausgezeichneten Film "Slam". Bekannt ist Williams auch als politischer Aktivist.
Bei dem Label Ninja Tune ist unter diesem Slogan auch eine EP erschienen, auf der Saul William klar und deutlich den Herrschenden in seinem Land entgegenschleudert:
The pledge to resist. We believe that as a people who living in the United States it is our responsibility to resist the injustice done by our government in our name.
Auch die aus New Jersey stammenden Dälek, die sowohl Samstag, 30. April 2005 als auch am Mittwoch, 4. April 2005 beim Donaufestival in Krems zu erleben sein werden, machen keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen die Politik ihres Landes. Auch wenn ihre Botschaften nicht derart explizit, sondern mehr zwischen den Zeilen zu finden sind.
Dälek, eine Band die ganz zu recht stolz einen Umlaut in ihrem Namen trägt und mit der Kraft ihrer Rhymes und einer Auswahl der schwersten Beats diesseits von Godzilla jeden Club in Grund und Boden rockt, schrieb FM4-Kollege Christian Fuchs auf der FM4-Homepage anlässlich der Wien Präsentation des Dälek-Albums "from filthy tongue of gods and griots".
In ihrem aktuellen Album "absence" haben sich Dälek mit noch mehr brachialer Urgewalt in die Micro-Struktur des Noise vorgearbeitet. Nun könnte er also tatsächlich über das Publikum hereinbrechen, der im Pressetext zum Donaufestival angekündigte Donnerschlag.
Dälek pflegen einen ausgesprochen aufgeschlossenen Zugang zum Genre Hip Hop. Veröffentlichungen mit Techno Animal oder den Krautrockern Faust zeugen davon und im Auftrag des Donaufestivals wird bald eine weitere Kooperation auf CD gebannt sein. Fünf Wochen lang haben sich Dälek gerade mit Wolfgang Schlögl aka I-Wolf, Mia Zabelka und Oddateee ins Studio begeben, um eine neue CD aufzunehmen, deren Stücke am Samstag, 30. April 2005 nun auch beim Donaufestival in der Kremser Messehalle erstmals zu hören sein werden.
Fluc im Exil
Vor einigen Wochen musste das Wiener Fluc der Renovierung des Bahnhofgeländes am Wiener Praterstern weichen, seither verging allerdings kaum ein Tag, an dem die Fluc-Betreiber nicht veranstaltet haben.
Von 10. bis 14. Mai 2005 etwa wird das Fluc, gemeinsam mit den Initiatoren von Serious Pop, in den Räumlichkeiten von dietheater im Konzerthaus die Ernsthaftigkeit von Pop-Musik neu verhandeln. Und von Samstag, 30. April 2005 an wird sieben Tage lang das Zeiss Planetarium im Prater seinem ehemaligen Nachbarn Fluc Exil gewähren. Dort gibt es am 5. Mai 2005 auch die Präsentation des CD/DVD/Buch-Projektes "Berlin Super 80" zu erleben.
Berlin Super 80
Als er 1980 zum ersten Mal nach Berlin kam, war er spontan beeindruckt, erinnert sich im Buch der Filmemacher Rolf S. Wolkenstein, der gemeinsam mit Toni Schifer von Monitorpop das CD/DVD/Buch-Projekt "Berlin Super 80" ins Leben gerufen hat - einerseits vom morbiden Charme dieser Metropole, in der die Spuren des Weltkriegs teilweise auch nach 35 Jahren noch sichtbar waren, andererseits vom individuellen Lebensgefühl seiner Generation in der Mauerstadt.
Die Mauer hätte Berlin zu einer Insel gemacht, in der sich ein ganz eigenes Biotop des Existenzialismus hatte entwickeln können. Berlin kannte keine Sperrstunde. Man frönte exzessiv dem Nachtleben, insbesondere in Schöneberg und Kreuzberg. Unter den Berlinern sei damals die feste Ansicht kursiert, so Rolf S. Wolkenstein, dass der Wessi, der das erste halbe Jahr durchhielt, blieb, alle anderen aber - so hieß es - würden bald wieder - still und leise - verschwinden. Das Projekt "Berlin Super 80" erzählt von jenen die geblieben sind und es liefert in seiner multimedialen Auffächerung ein eindrucksvolles Zeugnis vom damaligen Zeitgeist dieser pulsierenden Underground-Metropole.
Das Projekt "Berlin Super 80" umfasst eine Stunde Musik, zwei Stunden digitalisierte Super-8-Filme mit noch mehr Musik, Slideshows, ein kleines Büchlein mit Werkbeschreibungen, Biografien und vertiefenden Texten und Interviews, samt reicher Bebilderung. Das Herz jener die das Berlin der frühen 80er Jahre selber miterleben durften, muss angesichts dieser feinen Veröffentlichung wohl einen Takt höher schlagen. Für all jene, die es versäumt haben, und die sich nun im Nachhinein schlau machen möchten, bietet "Berlin Super 80" einen guten Einstieg.
CD-Tipp
Saul Williams, "Not in my Name", Ninja Tune ZEN 12135
Dälek, "absence", Ipecac Recordings ITC-056
Die Tödliche Doris, Einstürzende Neubauten, Malaria, Christiane F, Valie Export & Monsti Wiener, usw., "Berlin Super 80", Monitorpop Entertainment LC 09759
Hör-Tipp
"Zeit-Ton", Mittwoch, 27. April 2005, 23:05 Uhr
Veranstaltungs-Tipp
Donaufestival, "Abstract Hip Hop", Freitag, 29., 30. April und 4. Mai 2005, Kremser Messehalle
Fluc im Exil, Wolfgang Müller, Frieder Butzmann, DJ Thomas Pargmann & Gäste, "Berlin Super 80", 5. Mai 2005 , Zeiss Planetarium
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