Schrankenlos

Tancaruja, Keita, Kante und mehr

Üble Nachrede: die Sarden wären seit Jahrhunderten Banditen. Tatsache: sie machen großartige Musik! Geheimnisvoll: ein verlorenes Album der beiden Afrostars Salif Keita & Kante Manfila. Rasant: diverse Maßnahmen zum gegenseitigen besseren Verstehen.

Tancaruja aus dem Album "Isettande"

Den Sarden sagt man ja alles Mögliche nach: vor allem, dass sie seit Jahrhunderten dem Banditenhandwerk nachgingen. Nicht zu leugnen ist aber, dass sie großartige Musik machen - wie auch die Musik des geheimnisvollen Ensembles rund um die beiden Afrostars Salif Keita und Kante Manfila auf dem geheimnisvollen "Lost Album" durchaus hörenswert ist. Unter anderen, weil sie so gar nicht in die damals (1980) übliche Schiene passen will.

Das "Balkan Fever Festival" steuert auf seinen ersten Höhepunkt zu und im Odeon agiert das Serapions Ensemble zu Musik von Cesaria Evora, dem Boban Markovic Orchestra und anderen.

Fröhliche, feine neue Klänge aus Sardinien

Wer je die wilde, echte Volksmusik Sardiniens gehört hat, die stimmgewaltigen Tenores und ihre eigenartigen, statisch wirkenden Lieder oder den Klang der Launeddas, die man sich wie ein vom Dudelsack getrenntes Bündel Pfeifen vorstellen muss, der wird die Kraft dieser Musik nie vergessen.

Und dieses Angekommen-Sein-Gefühl, das diese uralte Musik weckt. Wer also je die alte sardische Volksmusik erlebt hat, wird staunen, wie viel Kraft und Vitalität der archaischen Substanz in der Musik des Ensembles Tancaruja steckt - und seine Freude daran haben.

Aber man muss die Tenores und Launeddas nicht gehört haben, um sich für Tancaruja zu begeistern. Diese acht Sarden, deren musikalische Werdegänge unterschiedlicher nicht sein könnten, haben eine eigenständige musikalische Sprache gefunden.

Man fühlt sich erinnert: an irische Balladen, an algerischen Ra, an rasenden brasilianischen Forro, an handfesten Rock oder schwebenden New Age Klang. Erinnert, nicht darauf gestoßen. Und das macht den Charme dieser innovativen, sardischen Folkmusik aus. Unbedingt hineinhören!

Geheimnisvolles Wiedergefundenes

Die beiden Afrostars Salif Keita und Kante Manfila gelten als die "Ikonen der westafrikanischen Musik", haben am Beginn ihrer Karriere lange miteinander musiziert und später dann getrennte Wege eingeschlagen. Der charismatische Sänger Salif Keita ist Albino aus höchstem Adel und auch Kante Manfila von illustrester Abstammung. Man munkelt, dass uralte Familienstreitigkeiten zum endgültigen Bruch der beiden Musiker geführt hätten. Genaueres ist nicht zu erfahren.

Und nun gibt es - Überraschung!!! - ein gemeinsames Album auf dem Markt, mit dem geheimnisvollen Titel "The Lost Album". Die Herausgeber halten sich mit Informationen zurück. Nur dass es 1980 entstanden und irgendwo in Frankreich herumgelegen sein soll, wird offiziell zugegeben.

Wieso wurden die Bänder auf Eis gelegt (oder sonst wohin), wer hat die Schubladisierung damals veranlasst und wer hat gerade jetzt beschlossen, sie zu veröffentlichen und so weiter. Wie heißt es so schön: es darf spekuliert werden? Oder würde "Geheimnisse beleben das Geschäft" besser passen?

Genug Stoff zum Nachdenken, während man sich genüsslich die Musik anhören kann: total "unplugged" - ungewöhnlich für 1980, als gerade die Einbindung diverser Elektronik in die westafrikanische Musik en vogue war - dafür mit "fremden Einsprengseln": einem Jazzklavier, einer folkig-bluesigen Gitarre, einer Trompetensound-Verbeugung vor Miles Davis und Louis Armstrong.

Ach, falls Sie Vergleiche anstellen wollen: fast ganz pure Mande-Musik verbreitet die CD "Mandekalou - The Art and Soul of the Mande Griots". Seien Sie entspannt beim Hören, die Wiederholungen machen den Charme dieser Musik aus!

Fremdes. Macht. Angst. Oder.

Wenn Gesten falsch gedeutet werden. Wenn Worte andere Bedeutungen haben. Wenn überhaupt der Andere anders reagiert als erwartet. Das verunsichert. Macht Angst. Gebiert Aggressionen. Und so weiter. Dem vorzubeugen gibt es verschiedenste Möglichkeiten. Zum Beispiel Theater zu spielen.

Im Odeon geht es demnächst um einen, der die Schranke der Konventionen überschreitet und fremd wird, sich und den anderen - welt-musikalisch unterstützt von Cesaria Evora, Boban Markovic Orchestra und anderen. "Xenos. Vom Fremdsinn" wird für die ganz Neugierigen, die noch dazu ein gutes Werk tun wollen, schon am 22. April 2005 als Benefiz-Vorpremiere zu sehen sein, um auf diesem Weg eine kleinen Beitrag zu den Friedensbemühungen zwischen Israelis und Palästinensern zu leisten.

Musik ist ebenfalls ein probates Mittel, um Schranken einzureißen. Mentale Schranken Richtung Balkan werden derzeit in Wien aus dem Weg gespielt, beim "Balkan Fever 05", deren Veranstaltungen in dieser Woche fast zur Gänze in der Sargfabrik stattfinden: Liljana Buttler, die Königin des Gipsy Soul und Mostar Sevdah Reunion spielen am Donnerstag, 21. April 2005, am Freitag, 22. April 2005 servieren Zdravka & Pirinka Hristovi Bulgarisches aus dem Pirin-Gebirge und am Samstag, 23. April 2005 gibt es Roma-Crossover für alle Sinne

CD-Tipps
Tancaruja, "Isettande", Peregrina Music PM50412

Salif Keita & Kante Manfila, “The Lost Album. Inedits”, Cantos 079.0003.026

"Mandekalou. The Art and Soul of the Mande Griots", Syllart 79663-2

Veranstaltungs-Tipps
*Balkan Fever", Serapions Ensemble, "XENOS. Vom Fremdsinn", Benefizvorstellung Freitag, 22. April 2005, 20:00 Uhr, ab Samstag, 23. April 2005, 20:00 Uhr, Odeon

Balkan Winds, Dienstag, 19. April, 21:00 Uhr, Birdland,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (15 Prozent).

Natasa Mirkovic de Ro, Irina Karamarkovic, Vesna Petkovic, Mittwoch, 20. April 2005, 20:00 Uhr, Sargfabrik,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (EUR 2,-).

Liljana Buttler & Mostar Secdah Reunion, Donnerstag, 21.April 2005, 20:00 Uhr, Sargfabrik,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (EUR 2,-).

Zdravka & Pirinka Hristovi, Freitag, 22. April 2005, 20:00 Uhr, Sargfabrik,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (EUR 2,-).

Mitsoura, Samstag, 23. April 2005, 20:00 Uhr, Sargfabrik,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (EUR 2,-).

Vasil Hadzimanoc Band, Montag, 25. April, und Dienstag, 26. April 2005, 21:00 Uhr, Birdland,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (15 Prozent).

Links
Universal Music - Salif Keita
Tancaruia
Odeon
Balkan Fever