Ein Leben für die Musik

Instrument Stimme

Die menschliche Stimme ist das heikelste Instrument. Anders als alle anderen, tragen SängerInnen ihr Instrument mit sich. Dass beim morgendlichen Aufstehen stets der erste Gedanke der Stimme gilt, verwundet daher nicht. Singen ist Lebensprinzip.

Musiker oder Musikerin zu sein, gilt vielen nicht nur als Beruf, sondern darin enthalten ist ein Stück Lebensphilosophie. Höhen und Tiefen gehören dazu. Alle emotionalen Schattierungen gilt es auszuloten und künstlerisch umzusetzen. In besonderer Weise erlebten das Hermann Weigert und seine berühmte Frau, die Wagner-Heroine Astrid Varnay. Sie gingen gemeinsam durch eine von unruhigen politischen Umständen geprägte Zeit. Viele Eindrücke, die sie in der Neuen Welt erhalten hatten, brachten sie später, bei ihrer Tätigkeit im Nachkriegseuropa, ein.

Musikerehepaar Weigert und Varnay

Am 12. April jährte sich zum 50. Mal der Todestag des Dirigenten, Pädagogen, Musikologen Hermann Weigert - ein Name, den man in den großen Dirigenten-Enzyklopädien nur schwerlich finden wird, es sei denn im Zusammenhang mit seiner Ehefrau, der "Wagner-Kultdiva" Astrid Varnay.

Weigerts Dirigentenkarriere ist buchstäblich unter die Räder der Weltgeschichte geraten. 1890 in einer deutsch-jüdischen Familie in Breslau geboren, gelangte er bereits früh als Korrepetitor an die Berliner Oper, wo seine Kollegen u. a. Dimitri Mitropoulos und George Szell geheißen haben. Beide wurden Pultstars allererster Kategorie, was Weigert nicht in diesem Maß gelungen ist, fühlte sich der äußerst bescheidene Musiker doch auch zu einem Gutteil pädagogischer Arbeit verbunden. Auf diese Weise hat er auch seine spätere Ehefrau Astrid Varnay kennen gelernt, deren erste Karriereschritte bis hin zum Sensationsdebüt an der Metropolitan und später am Grünen Hügel er sorgfältig vorbereitet hat.

Astrid Varnay, die diesen Monat 87 wird, hat all das und weit mehr in ihrer Biografie "Hab mir's gelobt - 55 Jahre in 5 Akten" äußerst anschaulich dargestellt, ein Musterbeispiel einer Sängerbiografie, die ein ganzes Jahrhundert Operngeschichte vor uns lebendig werden lässt, waren doch auch ihre Eltern schon Opernsänger und haben mit den größten Berühmtheiten ihrer Zeit gesungen. Ein Buch ohne Eitelkeit und Tratsch, auch mit trefflichen Charakterisierungen vieler Zeitgenossen, wobei manche Ikone gehörig ins Wanken gerät, etwa der einst allmächtige MET-Chef Rudolf Bing. Das Buch: Für jeden Musik- und Opernfreund eine Pflichtlektüre!

Stimmen für Rossini

Wer bei Gioacchino Rossini an Stimmen von heute denkt, dem fallen bezüglich Tenöre, der Peruaner Juan Diego Florez, vielleicht auch der Russe Maxim Mironov oder der von Malta aus populär gewordenen Joseph Calleja ein.

Bei den Mezzosopranistinnen ist es die aus Alaska stammende Vivica Genaux, die Amerikanerin Joyce Di Donato oder die Lettin Elina Garanca. Nach einer Welle US-amerikanischer Rossini-SpezialistInnen ist derzeit im Fahrwasser von Cecilia Bartoli aber auch wieder eine Reihe von SängerInnen aus Italien dabei, sich in diesem Fach an die Spitze zu singen.

Daniela Barcellona, die hochgewachsene, Triestiner Mezzosopranistin mit dem überzeugend maskulinen Auftreten, hat in der Nachfolge einer Marilyn Horne, Rossini-Hosenrollen fast vollständig an sich gerissen.

Bei der Premiere von Rossinis selten gespielter Seria "Maometto II", zuletzt in Venedig, hat neben ihr auch die von Placido Domingo geförderte Sopranistin Carmen Giannattasio auf sich aufmerksam gemacht, die durch die Hände der großen Belcanto-Diva Leyla Gencer gegangen ist.

Armin Gramer - Countertenor zwischen Barock und Pop

Die hohe Männerstimme hat in den letzten Jahrzehnten durch die Bemühung um authentische Aufführungspraktiken eine neue Dimension erhalten. Countertenöre repräsentieren eine besondere Klangfarbe und erobern sich die Altpartien in barocken Oratorien und Opern, die ursprünglich für Kastraten geschrieben worden waren.

Die Rock- und Popmusik - diesbezüglich seltsamerweise eng mit den Gesangstraditionen der englischen Kirchenmusik verbunden - benötigt die hohen, falsettierenden Männerstimmen seit den Zeiten der Beatles und der Beach Boys. Barock und Rock liegen daher für einen Sänger dieser Stimmgattung gar nicht so weit auseinander. Der Kärntner Armin Gramer fühlt sich daher in beiden Sparten Zuhause. Er gewann einerseits Wettbewerbe des Wiener Konzerthauses und der Wiener Kammeroper und ist andererseits erfolgreicher Frontsänger der Rockgruppe "Safer six".

Text: Gottfried Cervenka, Chris Tina Tengel, Johannes Leopold Mayer

Buch-Tipp
Astrid Varnay, "Hab mir's gelobt - 55 Jahre in 5 Akten", Henschel ISBN 3894872675

Links
Teatro La Fenice - Maometto secondo
Safer Six