Bauernarbeit fotografisch dokumentiert
Vom Leben am Steilhang
Ihre Bilder sind Dokumente einer alten Zeit, erzählen ohne Sentimentalität von einer längst entschwundenen Bergbauernkultur und von einem erfüllten Leben, denn das ist für die Fotografin Erika Hubatschek wichtiger als Wissen oder feine Lebensarten.
8. April 2017, 21:58
"Drei Dinge haben mein Leben geprägt: Mein Elternhaus, die Berge und die Bergbauern", sagt die Volkskundlerin und begeisterte Fotografin Erika Hubatschek. Diese Einstellung kommt auch in ihren Bildern zum Ausdruck, die das einfache Leben der Bergbauern dokumentieren.
Expertin eines vergessenen Metiers
Keine Alm lag zu hoch, kein Weg war ihr zu steil, keine Arbeit war ihr zu schwer, wenn es darum ging, selbst anzupacken. Seit mehr als 60 Jahren dokumentiert Erika Hubatschek in Wort und Bild das Leben der Bergbauern und deren Kultur. Längst wurde sie zu einer der besten Kennerinnen alpenländischen Brauchtums. Ihr einzigartiges Archiv umfasst insgesamt etwa 11.000 Aufnahmen. Ihr umfangreiches Werk ist aber nicht nur in zahlreichen Bildbänden erschienen, ihre Bilder wurden auch in vielen Ausstellungen an vielen Orten der Welt gezeigt.
Aus Ärger über die Lieblosigkeit so mancher Verleger im Umgang mit ihrem Fotomaterial hat die inzwischen 92-jährige, noch immer hochaktive Frau kurzerhand einen eigenen Verlag gegründet, in dem bereits ebenso mehrere sorgfältig gestaltete Bildbände erschienen sind: "Bauernwelt in den Bergen", "Bergbauern im Stubai", "Über das Land" oder "Vom Leben am Steilhang".
Die bäuerliche Welt in Bildern
Blättert man in den prachtvollen, schön gedruckten Bildbänden von Erika Hubatschek, so findet man darin nicht nur unzählige stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Aufnahmen, sie erzählt auch in ihren Texten sehr anschaulich vom Leben am Steilhang in den Jahren nach 1930: Das Dachdecken, Pflügen, Melken, Buttern, Käsen und Heuen wird da gezeigt, das Roggenschneiden, das Heuziehen mit dem Schlitten, das Holzschlagen, das Wollspinnen und, und und...
"Es kann der Tag kommen, da all unser Gold nicht reicht, um uns ein Bild der entschwundenen Zeit zu formen", steht zum Beispiel als Motto dem Buch "Bergbauern im Stubai" vorangestellt. Viele Fotografien konnten nur entstehen, weil Erika Hubatschek sich nie gescheut hat, auch selbst zuzupacken. Sie kam nicht als Fremde, als Gast, der zuschaute - sie kam als eine, die mitarbeitete. Deswegen wurde sie auch von den Bergbauern akzeptiert; da durfte sie ruhig eine Kamera im Kittel dabei haben.
Sachlich-nüchtern, ohne Sentimentalität
Erika Hubatschek weilt mit ihren Bildern aber nicht nur in der Vergangenheit, sie vergleicht auch damalige Verhältnisse mit den heutigen: "In unserer schnelllebigen Zeit ist vieles vom damaligen 'Heute' schon jetzt kaum mehr vorstellbar", schreibt die Volkskundlerin beispielsweise in ihrem Buch "Bergbauern im Stubai".
Im Vorwort zu ihrem Band "Über das Land" schrieb Gunther Waibl über die Fotografin:
Stets frei von Sentimentalität bleibt ihr Blick bei aller Anteilnahme und Leidenschaft nüchtern. Das so gefährlich nahe liegende Sentimentale und Melancholische weiß sie im Zaum zu halten, zugunsten einer sachlich-nüchternen, lebendigen Schilderung.
In diesem Buch sind auch viele Aufnahmen von Bergbauern-Kindern zu finden: Ein Bub hält zwei Kühe fest, zwei Burschen sitzen auf einer langen Schaukel, ein anderer auf seinem Schlitten, ein Mädchen hat den Rechen geschultert, ein anderes sitzt berfuß im Gras, mit einer Puppe im Arm. Ein blondes Mädchen steht mitten auf dem Weg, vor ihr viele weiße Gänse, ein Fahrrad lehnt am Holzzaun...
Bauernwerk in den Bergen
Unterschiedliche Holzzäune, ein Leiterwagen, ein Mistschlitten, ein Garnhaspel, ein hölzernen Schraubstock, ein Hornschlitten, ein Futterkorb, ein alter Holzpflug - dem Arbeitsgerät der Bergbauern hat Erika Hubatschek in ihrem Buch "Bauernwerk in den Bergen" sogar ein eigenes Kapitel gewidmet. Dieser Bildband liegt bereits in der achten Auflage vor und ist ein "Klassiker der Bergbauernliteratur". In diversen Zeitungskritiken ist darüber zu lesen:
Man spürt, dass die Verfasserin das Land und seine Bauern liebt - aber sie hat nichts beschönigt: Die Berge, die Höfe und die bäuerliche Arbeit zeigen sich mit ihrer ganzen Härte.
Hochaktiv auch im Alter
Obwohl ihr bereits der Rücken zu schaffen macht, ist Erika Hubatschek auch weiterhin aktiv. Der eigene Verlag muss betreut werden; das brauche viel Arbeitsenergie. Dazu kommt, dass die begeisterte Bergsteigerin und Tourengeherin - sie bestieg beispielsweise im Himalaja als 71-Jährige gemeinsam mit ihrer Tochter einen 4.000er - auch weiterhin auf eines nicht verzichten will: auf's Gehen, draußen in der Natur.
"Alle meine Schilderungen beruhen auf eigenem Miterleben, schreibt Erika Hubatschek im Vorwort zum Band "Bauernwerk in den Bergen". "Ich habe mähen und melken gelernt, spinnen und weben, habe im Ruckkorb Mist ausgetragen und den Vorpflug gezogen, Zaunringe gemacht und vieles andere... Und ich erinnere mich an alles in großer Dankbarkeit. Dankbar bin ich dafür, dass ich diese alte Zeit gerade noch miterleben und wenigstens zum Teil in Bildern festhalten konnte."
Was wirklich zählt
Erika Hubatschek hat mit ihren Büchern das Leben und die Arbeit der Bergbauern eindrucksvoll dokumentiert - ein Stück "Lebenswirklichkeit" wird hier - auch für junge Betrachter - lebendig:
"Nur ein erfülltes Leben gibt einem Menschen wirklich Wert und Festigkeit in seinem Wesen, nicht Wissen oder feine Lebensart oder was wir sonst noch für wichtig halten - nur ein erfülltes Leben." Dieses Zitat von Karl-Heinrich Waggerl hat Erika Hubatschek an das Ende ihres Buchs "Bauernwerk in den Bergen" gestellt. Ein erfülltes Leben - bei ihr scheint es zuzutreffen.
Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 30. August 2009, 14:05 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Buch-Tipps
Erika Hubatschek, "Vom Leben am Steilhang", Verlag Dr. Erika Hubatschek Innsbruck
Erika Hubatschek, "Über das Land", Verlag Dr. Erika Hubatschek Innsbruck