Bericht von einer Enquete in Wien

Ohne Barrieren?

Technologien unterstützen den Menschen. Für Menschen mit Sinnes- und Körperbeinträchtigungen können Technologien sogar zu lebensbegleitenden Assistenten werden. Technische Machbarkeitsphantasien können aber auch neue Barrieren schaffen.

Für Menschen mit Sinnes- und Körperbeinträchtigungen können Technologien zu lebensbegleitenden Assistenten werden. Technische Machbarkeitsphantasien können aber auch neue Barrieren schaffen, ist die Botschaft der Enquete "Ohne Barrieren? Körper - Technologien - Behinderungen", die von Sensi_Pool und der Ö1 Wissenschaftsredaktion am 8. April im Wiener Museumsquartier veranstaltet wurde.

Positive und negative Seiten

Wenn Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen Technologien nützen und dadurch ihre Kontaktmöglichkeiten oder den Zugang zu Informationen verbessern, oder wenn gehbehinderte Menschen durch einen Rollstuhl unabhängiger werden - dann sei das positiv, so die Grazer Philosophin Elisabeth List.

Da die Verbindung von Informatik und Biotechnologien weiter fortschreite und der Mensch eines Tages zum "Cyborg" - also zum Mischwesen aus menschlichem Körper und Maschine werden könnte - müsse man aber rechtzeitig Grenzen ziehen. Diese Grenzen seien dort anzusetzen, wo die Selbstbestimmung und die Privatsphäre des Menschen eingeschränkt werde. Als Beispiel nennt List die Implantierung von Chips ins Gehirn, die eine direkte Verbindung von Computer und Mensch ermöglichen würde.

Barrierefrei für alle

Der Nutzen neuer Technologien für Menschen mit und ohne Behinderungen gehe meist Hand in Hand, so Klaus Miesenberger, Informatiker an der Universität Linz.

Einhandmischer für die Wasserleitung oder ergonomische Tastaturen zum Beispiel seien für Behinderte entwickelt worden und würden heute allen Menschen das Leben angenehmer machen.

Barrierefreie Websites seien nicht nur für behinderte Menschen leichter zu bedienen, sondern für jeden Internet-Nutzer. Da das noch nicht jeder verstanden habe, seien jedoch gesetzliche Regelungen notwendig, um die Abschaffung von Barrieren durchzusetzen, meint Martin Ladstätter, Redakteur des Nachrichtendienstes von "Bizeps", dem Zentrum für selbstbestimmtes Leben in Wien.

Technik macht unabhängig

Bei der Enquete im Wiener Museumsquartier wurden auch praktische Beispiele für hilfreiche Technologien vorgestellt:

  1. DAISY - Digital Accessible Information System, ist ein weltumspannender Versuch, Bücher oder Internetinformationen in Audioform für Blinde und Sehschwache einfach verfügbar anzubieten. Das System ermöglicht zusätzlich zur Hörinformation Angaben wie Seitenzahl, Überschrift oder Kapitel und ist verwendbar wie das klassische Buch.
  2. Trekker, ein geographisches Informationssystem mit Sprachausgabe, schafft Orientierung für Blinde und Sehbehinderte via digitalem Stadtplan und dem "Global Positioning System" GPS und kann auf einem handelsüblichen Taschencomputer verwendet werden.

Barrierefreie Medien

Barrieren werden aber nicht nur durch Technik beseitigt. Es geht auch und vor allem darum, ob Menschen mit Behinderungen zu einem selbstverständlichen Teil der Gesellschaft werden. Jenny Stevens, ehemalige Mitarbeiterin der britischen Rundfunkanstalt BBC in London, beschrieb, wie das mit Hilfe des "Broadcasting and Creative Industries Disability Network" in Großbritannien gelingen soll.

Mit diesem Netzwerk haben sich britische Fernsehanstalten, Filmfirmen und die Werbebranche vor drei Jahren verpflichtet, mehr Services für Behinderte anzubieten, behinderte Menschen in den Medien, in Filmen und in der Werbung häufiger auftreten zu lassen und sie in der Kreativwirtschaft vermehrt zu beschäftigen.

Denn 18 Prozent der britischen Bevölkerung haben eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung, in Filmen, Fernsehsendungen oder Werbespots würden diese Menschen aber kaum vorkommen. Menschen mit Behinderungen zu einem selbstverständlichen Teil der Öffentlichkeit zu machen, sei auch eine Form, Barrieren abzubauen, so Jenny Stevens.

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

Links
Universität Linz - Institut Integriert Studieren
Bizeps - Zentrum für selbstbestimmtes Leben
science.ORF.at - Gutenberg'sche Behinderung überwunden
Sensi_Pool
Broadcasting and Creative Industries Disability Network
Integration Österreich
Berufsbildungs- und Forschungszentrum für Blinde und Sehbehinderte
DAISY