Chance, Hoffnung, Ärgernis

Das Papstamt

Von der Öffentlichkeit wurde Papst Johannes Paul II. als Sprecher aller Christen wahrgenommen, aber trotz seines Bemühens um die Einheit der Christen wird das Papstamt rechtlich weder von den orthodoxen und orientalischen, noch von den protestantischen Kirchen anerkannt.

Der Theologe Ulrich Körtner zum Papstamt

Papst Johannes Paul II. hat es versucht, und in der Öffentlichkeit scheint es ihm auch nicht zuletzt wegen seiner ungeheuren Medienpräsenz gelungen zu sein, nämlich als Sprecher aller Christen wahrgenommen zu werden. Innerkirchlich scheint jedoch der Graben schier unüberbrückbar und die Einheit der Christen nach wie vor in weite Ferne gerückt zu sein. Denn weder die orthodoxen und orientalischen Kirchen, noch die protestantischen Kirchen erkennen den universalen Rechtsanspruch des Papstamtes an.

Et unum sint

Auf dass sie Eins seien: Dieses Bemühen von Papst Johannes Paul II. um die Einheit der Christen dokumentiert sich in der Enzyklika von 1995. Darin findet sich ein konkretes Verhandlungsangebot an die anderen christlichen Kirchen. Und auf seinen zahlreichen Reisen hat er auch persönlich immer neue Schritte in Richtung Versöhnung und Einheit unternommen.

Ein bedeutender Schritt geschah vor fünf Jahren während der Eucharistiefeier im Petersdom am ersten Fastensonntag. Papst Johannes Paul II. bat öffentlich um Vergebung für die Verfehlungen der römisch-katholischen Kirche im Laufe ihrer Geschichte. Durch diese einmalige Geste schien sich eine Chance für die Ökumene aufzutun, leider blieb sie bis jetzt ungenützt.

Der Stein des Anstoßes

Am 18. Juli 1870 wurde unter Papst Pius dem IX. beim Ersten Vatikanischen Konzil in Rom über das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes und seinem universalen Primat abgestimmt. 533 der 535 anwesenden Bischöfe stimmten für die Vorlage des Papstes. Die meisten der Gegner dieses Dogmas hatten das Konzil allerdings aus Protest schon vorher verlassen.

Diese Unfehlbarkeit war damals eine Antwort auf Probleme der römischen Kirche des 19. Jahrhunderts, denn im Gefolge der Französischen Revolution und der Bildung von Nationalstaaten nahm die Kirchenfeindlichkeit stark zu. Viele Katholiken sahen in einem starken Papst die Garantie für die Freiheit der Kirche.

Dazu kam im Laufe der Zeit ein zweites Konfliktfeld: Das wortwörtlich verstandene Weltbild der Bibel ist mit den neuen Erkenntnissen der Naturwissenschaft nicht vereinbar. Und die modernen Menschen beanspruchen Autonomie und freien Gebrauch der Vernunft. Die römische Kirche, aber auch viele gläubige Katholiken, verstehen das als Auflehnung gegen die Autorität Gottes und seiner Kirche - und als Störung der weltlichen Ordnung.

Kein vicarius Christi

Für den griechisch-orthodoxen Theologen Gregor Larentzakis ist der Papst der Bischof von Rom, nicht mehr und nicht weniger. Wenn es zu einer Einigung der christlichen Kirchen kommen soll, dann müsste es über den Absolutheitsanspruch des Bischofs von Rom ein ökumenisches Gespräch geben, meint Larentzakis. Denn den Anspruch, der Papst sei vicarius Christi, Stellvertreter Christi auf Erden, können die orthodoxen Kirchen nicht akzeptieren. Den Bischof von Rom, also den Papst, ehrenhalber als ersten der Bischöfe anzuerkennen, so wie im ersten Jahrtausend, das fällt Larentzakis aber nicht schwer.

Auch für evangelische Christen ist das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit in Fragen des Glaubens nicht akzeptabel. Obwohl man positiv sagen könnte, dadurch würde die Identität der christlichen Botschaft gewahrt. Der Lutheraner Gunther Wenz sieht es als unannehmbar, dass der Papst einen Rechtsanspruch aus dem Primat ableitet. Wenn überhaupt, dann könne er sich nur einen seelsorglichen Primat vorstellen.

Neue Interpretation notwendig

Und dann taucht auch die Frage auf: Wer ist der Nachfolger Petri? Nur der Papst? Nur Priester? Nur Männer? Oder auch Frauen? Der reformierte Theologe Ulrich Körtner meint dazu, jeder Pfarrer und auch jede Pfarrerin in der Gemeinde hat ein solches Amt der Einheit wahrzunehmen. In jeder dezentralen Einheit der Kirche muss auch immer die Gesamteinheit gesehen werden: "Johannes Calvin war der Meinung, Christus regiert die Kirche; das kann er nur durch Menschen tun, die Ämter in der Kirche haben. Er sagte auch, dass es nicht nur einen vikarius Christi geben könne, sondern dass es eine Vielzahl von Amtsträgern sein müssten, die alle gleichberechtigt seien und deren Gesamtheit dann das Werkzeug Christi sei".

Dass heute mehr denn je eine moralische Instanz nötig ist, die für die Botschaft des Evangeliums ihre Stimme erhebt und dass Papst Johannes Paul II. diese Funktion übernommen hatte, darüber sind sich alle mehr oder weniger einig. Für eine Wiedervereinigung der christlichen Kirchen allerdings muss das Papstamt neu und anders interpretiert werden. Wie, darüber besteht allerdings bis jetzt keine Einigkeit.

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