Kulturgeschichte des Rauchens

Der Qualm als Lust und Ärger

Unter den englischen Dandys war Oscar Wilde berühmt, weil er Fatimas mit Goldfilter rauchte. Auf ihn geht eine der treffendsten Definitionen des Rauchens zurück: "Die Zigarette ist der perfekte Genuss: Sie stimuliert, aber sie befriedigt nicht."

Griechen, Römer, Kelten, Germanen, Asiaten, auch Südseeinsulaner sollen geraucht haben, freilich nicht Tabak, sondern getrockneten Ochsendung, Kräuter, Heilpflanzen, möglicherweise auch Marihuana. Glaubt man dem römischen Historiker Herodot, dann haben die Skythen nie im Wasser, sondern im Rauch des Hanfsamens gebadet.

Und so wird der offizielle Beginn des Rauchens als zivilisatorische Technik denn auch deutlich später angesetzt. Von Bartolome de las Casas, dem Expeditionsgeistlichen und Chronisten des Kolumbus, stammt jenes legendäre Zitat, das die Erstbegegnung der Europärer mit dem Glimmstängel dokumentiert:

Ich sah Männer und Frauen, die alle eine glühende Kohle in der Hand trugen, die von wohlriechenden Kräutern unterhalten wurde. Es waren dies trockene Kräuter, in ein gleichfalls trockenes, breites Blatt eingewickelt. An einem Ende waren sie angezündet, am anderen Ende saugten die Leute und tranken gewissermaßen durch Einatmung den Rauch. Sie werden dadurch eingeschläfert und berauscht, sind aber offenbar dadurch vor Müdigkeit geschützt.

Weltweite Erfolgsstory

Schon 1519 soll der spanische Hofhistoriograf und Aufseher der Goldschmelzer in Westindien, Fernandez de Oviedo, die ersten Tabakpflanzen nach Spanien gebracht haben. Schnell verbreitete sich das Kraut in ganz Europa und dann über den Rest der Welt. Bereits 150 Jahre nach Bartolome war die Tabakpflanze ein weltweites Anbauprodukt und überall wurde gequalmt, dass sich die Schornsteine bogen.

Wer jedoch glaubt, dass groß angelegte Anti-Raucherkampagnen ein Phänomen der letzten 50 Jahre sind, liegt falsch: Praktisch mit dem Erstauftritt der Wunderdroge formierten sich auch schon die Gegner, am frühesten in England: Kaum war Jakob I. 1603 auf den Thron gelangt, veröffentlichte er ein wütendes Traktat gegen das von seiner Vorgängerin geduldete Rauchen: die Schrift "Misocapnus sive de abusu tobacci".

Das Erbgut manches jungen Edelmannes wird ganz erschöpft und verfliegt mit dem Dampf dieses Rauches rein in nichts. (...) Denn genau wie hysterische Weiber ihr Leben verbringen, so kennt Ihr infolge der Erschlaffung nur noch diese eine Sorge um euer Laster: dass Ihr euch wieder und wieder dem in die Nase dringenden Rauch hingeben könnt.

Scheinheilige Gegner

So wie zahlreiche Rauchgegner nach ihm scheiterte Jakob I. natürlich - der Mensch ist eben lasterhaft und Prohibition macht das Verbotene nur noch attraktiver. Der Regent übte sich daraufhin in der hohen Kunst der Scheinheiligkeit: 1614 ließ er den Einfuhrzoll auf Tabak auf das Vierzigfache erhöhen, erklärte den Tabakimport zum königlichen Monopol und verbot angeblich zum Schutz der Volksgesundheit jedes Säen und Pflanzen des Tabaks in England.

Ähnliche Muster kennen wir aus jüngster Vergangenheit und Gegenwart: Die EU fährt eine Multimillionen-Euro-Kampagne, in der das Rauchen verteufelt wird, allerdings investiert sie die zehnfache Summe in die Subvention des Tabakanbaus und die einzelnen Staaten füttern ihr Bruttoinlandsprodukt nicht unerheblich aus der Tabaksteuer.

Feindbild Raucher

In den Industrienationen gilt der Tabakkonsument heute als Ewiggestriger und Renegat, den man zu seinem Glück und damit zum gesellschaftlichen Konformismus zwingen muss. Dazu Christian Peri-Rossi:

Die große Antizigarettenkampagne in den Ländern der Ersten Welt hat es nach 15 Jahren geschafft, dass sich das traditionelle verführerische Bild des Rauchers oder der Raucherin ins Gegenteil verkehrt hat: Der Raucher ist immer schuld, vor sich selbst (jedwede Krankheit, die er hat, wird auf die Zigarette geschoben) und vor den anderen, als wäre der aus seiner Nase ausgeatmete Rauch das gefährlichste und tückischste aller Gifte, und wer in der Öffentlichkeit raucht, ist nicht nur das Opfer eines Lasters, sondern der Henker der anderen."

Postskriptum

In den Vereinigten Staaten war die letzte Zigarette, die man dem zum Tode Verurteilten gewährte, eine Tradition, ein angestammtes Recht, bis vor kurzem der Gouverneur von Alabama, einem der strengsten Staaten, was die Anwendung der Todesstrafe angeht, diese verbot - und zwar aus gesundheitlichen Gründen.