Hinter der "Schwarzen Kappe"

Welt Spiegel Kino

Eine ungewöhnliche Reise durch Zeit und Raum vermittelt der österreichische Found-Footage-Künstler Gustav Deutsch in seinem neuen Film "Welt Spiegel Kino". Drei Straßenszenen aus dem frühen 20. Jahrhundert eröffnen spielerisch die Vielfalt des Lebens.

Eine Straßenszene aus dem Wienerischen Erdberg des Jahres 1912. Passanten drängen in alle Richtungen, und im Kino, das im Hintergrund zu sehen ist (der Vorläufer des späteren "Erdberger Kinos") läuft, das Plakat verrät es, ein Thriller namens "Die schwarze Kappe".

Scheinbar ziellos folgt die Kamera einem der Passanten, einem stattlichen jungen Mann, zoomt ihn heran bis zur Großaufnahme und blendet dann über auf einen Waffenträger (des Ersten Weltkriegs?). Ist es derselbe junge Mann, der da zu den Waffen gerufen wurde? Ist es ein Traum dieses Menschen oder gar sein Alptraum?

Laufbildbeschreibung

Es ist genau diese changierende Vieldeutigkeit, die dieser fließenden Bildcollage ihre Faszination verleiht. Aus allen europäischen Filmarchiven hat Gustav Deutsch das Material für seinen Kompilationsfilm zusammengesucht. Entstanden ist dabei eine Reise durch Zeit und Raum, die - trotz des historischen Abstandes - erstaunlicherweise an das Surfen in den grenzenlosen Weiten des Internets erinnert. Deutsch selbst spricht lieber von genauen Bildbeschreibungen, die er in der Schule erlernt habe und die er jetzt zu einer Laufbild-Beschreibung genutzt habe.

Hypnotisch intensive Bilderreise

Gleichgültig, woher die Inspiration letztendlich stammt: Deutschs Film ist jedenfalls so anregend wie (auch politisch) vielfach interpretierbar. Da wird eine Briefmarke mit dem alten Kaiser gleichsam lebendig, da verrät die Überblendung vom Drachen aus Fritz Klangs Nibelungen-Film auf einen chinesischen Drachen aus einem Festumzug viel vom kolonialistischen Kulturgefälle jener Tage, und da werden mysteriöse Bilder von einem Buben, der auf einem (hängenden?) Wagen über Reisfelder zu schweben scheint, zu einer Schule des genauen Sehens. Wer mehr über die Welt und das Kino erfahren will, ist mit dieser hypnotisch intensiven Bilderreise jedenfalls gut bedient.

Welt Spiegel Kino
Dukumentation, Österreich, 2005
Regie: Gustav Deutsch