Räume des Staunens

Virtuelle Wunderkammer für Designer

Designer sammeln Fotos und Gegenstände, um sich bei der Entwicklung eines Produkts inspirieren zu lassen. Weil die Arbeit am Computer diesen kreativen Prozess behindert, hat ein holländischer Design-Forscher das "Cabinet" entwickelt.

Im 16. und 17. Jahrhundert sammelten Fürsten und wohlhabende Bürger gerne Kuriositäten aus fremden Ländern wie Steine, Muscheln, ausgestopfte Vögel, Werkzeuge, Töpfe, Figuren und vieles mehr. Die oft mehrere Räume füllenden Sammlungen dienten dem Staunen und wurden deshalb auch als "Wunderkammer" bezeichnet.

Designer sind nicht unähnlich. Sie sammeln Zeitungsausschnitte, Fotos und Gegenstände, um sich bei der Entwicklung eines neuen Produkts davon inspirieren zu lassen. Weil die Arbeit am Computer diesen kreativen Prozess behindert, hat ein holländischer Design-Forscher das "Cabinet" entwickelt, eine Art virtuelle Wunderkammer, die digitale und reale Sammlungen miteinander verbindet.

Ianus Keller, Forscher an der Fakultät für Industriedesign der Technischen Universität in Delft, hat das "Cabinet" für Designer entwickelt, die damit visuelles Material sammeln und organisieren können sollen. Ianus Keller: "Die Idee ist, dass man die Bilder räumlich ausbreiten und unterschiedlich anordnen kann. Es ist sehr intuitiv und es macht digitale Materialien sehr physisch. Man kann ein digitales Bild drehen, wie man es am Papier machen würde, damit wird die Grenze zwischen digitalem und physischem Material sehr schmal."

Magische Bilder

Das "Cabinet" ist ein Tisch, der Computer, Scanner und Projektor gleichzeitig sein kann. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein eleganter hochbeiniger Tisch aus Holz mit einer weißen Platte und einer kleineren Holzplatte auf metallenen Stehern in Kopfhöhe. Man kann ein Bild oder einen Gegenstand auf die Tischplatte legen und auf den silbernen Knopf auf dem Tisch drücken. Zieht man den Gegenstand weg, sind das Bild oder der Gegenstand immer noch da - allerdings nur virtuell.

Einfacher Trick

Der Trick ist relativ einfach, wenn man ihn einmal kennt: An dem Brett über dem Tisch ist ein handelsüblicher digitaler Fotoapparat montiert, der durch einen Druck auf den silbernen Knopf ausgelöst wird. Er fotografiert alles, was auf der weißen Platte liegt.

Das Foto wird dann mit einem Beamer, der unter der Platte steckt, über einen Spiegel auf die Tischplatte projiziert. Unter der Platte liegt ein Computer-Zeichentablett, das in Kombination mit einem Computerstift auf Eingaben reagiert. So kann man aus dem digitalen Foto einen Ausschnitt machen, das Foto verkleinern, herumschieben und mit anderen Fotos zu einem Stapel aufschlichten.

Mit einem USB-Stick, also einem kleinen Datenträger, kann man Fotos aus dem Internet oder dem normalen Computer auf das "Cabinet" übertragen und die Anordnung der Bilder zur weiteren Verwendung wieder "herunterladen".

Real und virtuell

Ianus Keller beschreibt noch eine weitere Möglichkeit, die das "Cabinet" bietet: "Man kann aus einem Stück Polystyrol ein Modell schnitzen, ein Bild darauf projizieren und sich anschauen, wie eine bestimmte Oberfläche auf dem Modell wirkt.

Das ist der umgekehrte Weg: jetzt nehmen wir digitales Material und projizieren es auf physische Objekte. Das macht die Vermischung von realer und virtueller Welt sehr fließend. Es geht immer darum, dass man dem Computer nicht erklären muss, was man machen möchte."

Praxistest

Das "Cabinet" war jeweils vier Wochen in drei bekannten Design-Firmen in den Niederlanden in Verwendung. Die Designer waren vor allem begeistert, dass die Bilder frei herumgeschoben werden können, nicht in einer Reihe aufgefädelt sind wie bei üblichen Bildverarbeitungsprogrammen und nicht mit irgendwelchen Dateinamen versehen werden müssen.

Als angenehm wurde auch empfunden, dass sich mehrere Leute um den Tisch stellen und über die Bilder und Arrangements diskutieren können. Bei einem üblichen Computerbildschirm ist das immer etwas schwierig.

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

Links
ID StudioLab - "Cabinet"
Wikipedia - Wunderkammer
matrix.ORF.at