Neue Maßstäbe für PianistInnen
Beethovens frühe Sonate in f-Moll
Im Jahr 1795 macht Beethoven erste Geh- und Stehversuche als selbständiger Pianist und Komponist in Wien; durchaus mit Erfolg. Der junge Pianist aus Bonn verblüffte seine Zeitgenossen mit einigen Werken, die knapp an Verärgerung vorbeigingen.
8. April 2017, 21:58
Beethoven mit Gulda, Kempff, Tan
Mit seinen ersten drei Klaviersonaten (Opus 2) setzte Beethoven neue Maßstäbe für die Pianistenzunft. "Es seye ihr ganz unmustern und grauslich wordn", schreibt am 12. November 1797 die österreichische Gräfin Waldkirchen-Ybbs einer Freundin. "Wie ich da dem Beethoven sein Buch Sonatten aufs Clavier gesetzt und mich dranmache ergehts mir nach kurzem so schweer das ich mein ich hätt mich niemal auf dem Instrument geübt."
Klaviersonate op. 2 Nr. 1 f-Moll
Mit samtig weichem Klavierklang spielt Friedrich Gulda Beethovens Sonate und wählt eines der schnellsten Tempi, die bei Aufnahmen dieser Sonate zu finden sind.
Sehr viel langsamer und "kleinteiliger" in der Gestaltung interpretiert Wilhelm Kempff das Hauptthema dieses ersten Satzes.
Der erste Satz beginnt mit Dreiklangsbrechungen aufwärts, die oben jeweils mit einer kleinen Verzierungsfloskel enden. Im zweiten Teil dieses ersten Themas werden diese kleinen Verzierungen (Doppelschlag) vervielfacht, Beethoven spinnt das kleine Motiv sozusagen weiter.
In dieser Passage unterscheiden sich die beiden Aufnahmen deutlich: Gulda ändert kaum den Charakter, während bei Wilhelm Kempff dieser Teil zu einer eigenen kleinen lyrischen Passage wird, zu einer Beruhigung der stürmischen Anfangsbewegung, wie die Tonbeispiele beweisen.
Spezialist am Werk
Einer der Spezialisten auf dem Hammerklavier ist Melvyn Tan. Er spielt auf einem von Derek Adlam nach gebauten Klavier von Anton Walter - damals einer der bedeutenden Hammerklavierbauer in Wien.
Schon Mozart hatte einen Hammerflügel von Anton Walter und für Beethoven waren diese neuen kräftigeren Instrumente bekanntlich besonders wichtig. Das Hammerklavier hat natürlich gegenüber den modernen Klavieren einen vollkommen anderen Klang: farbiger, härter, fragiler.
Aber der Vergleich von Tans Aufnahme mit anderen, gerade beim Beginn der Sonate Nr.1, zeigt auch, wie eingeschränkt die Mittel des alten Hammerklaviers sind: ohne dynamische Veränderungen (wie bei Gulda) und auch ohne den Wechsel zu einem lyrischen Klang (wie Kempff) spielt Melvyn Tan den Beginn des ersten Satzes.
CD-Tipps
Ludwig van Beethoven, "Sämtliche Klaviersonaten I", Friedrich Gulda, Amadeo 415 2442
Ludwig van Beethoven, "Die Klaviersonaten", Wilhelm Kempff, DG 431 198-2
Ludwig van Beethoven, "Sonaten op. 2", Melvyn Tan, EMI cdc 7 546572
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