Neuorientierung
Der Enthusiast der Freiheit - Teil 2
Friedrich Schiller war nicht nur ein Klassiker des Theaters, der Dramen wie "Die Räuber" oder "Maria Stuart" verfasste. Er setzte sich auch mit der zeitgenössischen philosophischen Ästhetik auseinander. Sie ist gleichsam das Fundament für seine Dramen.
8. April 2017, 21:58
Die Übersiedlung nach Weimar im Jahre 1787 markiert eine länger andauernde Veränderung in Schillers literarischem Schaffen. Der Dramatiker wich dem Theoretiker, der sich eingehend mit Philosophie und Geschichte befasste.
1789 erhielt Schiller durch die Vermittlung Goethes eine Geschichtsprofessur in Jena; ein Jahr später erfolgte die Heirat mit Charlotte von Lengefeld. Eine schwere, beinahe tödliche Lungenentzündung, an deren Folgen er bis zu seinem Tode litt, beendete Schillers akademische Karriere. Wiederum war er auf finanzielle Hilfe angewiesen. Diese Unterstützung ermöglichte das Studium der Schriften von Immanuel Kant, das Schiller mit wachsender Begeisterung betrieb.
"Über die ästhetische Erziehung des Menschen"
In den Briefen "Über die ästhetische Erziehung des Menschen", die er 1795 veröffentlichte, dachte Schiller über das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft nach, Im ersten Teil analysierte er die Zeitsituation, die von Entfremdung und Arbeitsteilung geprägt war:
"Ewig nur an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als Bruchstück aus; nie entwickelt er die Harmonie seines Wesens und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszuprägen, wird er bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts."
Die Bedeutung des Spiels
Die Aufgabe der Kunst besteht nun darin, ein Modell vorzustellen, das die tiefgehende Entfremdung wenigstens kurzfristig aufhebt: Es ist das Spiel, in dem die Zweckrationalität und die Nützlichkeit ihren alles beherrschenden Status verlieren.
"Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt", schrieb Schiller. Der Philosophiehistoriker Rüdiger Safranski sieht darin eine "kulturanthropologische These mit weit reichenden Konsequenzen".
Verlust der Harmonie
Mit seinem Essay "Über naive und sentimentalische Dichtung" beendete Schiller 1796 seine kunstphilosophischen Ausführungen. In dieser Schrift stellte er der naiven Naturverbundenheit der Antike die durch Selbstreflexion gebrochene Haltung der Moderne gegenüber. Der sentimentalische Mensch lebt nicht mehr in ungebrochener Harmonie; er ist verurteilt, sie sich wieder zu erkämpfen.
Wallenstein
Nach seiner philosophischen Phase wandte sich Schiller wieder seinem dramatischen Schaffen zu. Sein Thema war der böhmische Feldherr Wallenstein. Zwischen 1798 und 1799 wurde dann die Trilogie "Wallensteins Lager", "Die Piccolomini" und "Wallensteins Tod" in Weimar aufgeführt.
Dialektik der Macht
Im Mittelpunkt der Trilogie steht der Verrat von Wallenstein am österreichischen Kaiser. Der siegreiche Wallenstein, Herr über eine ihm bedingungslos ergebene Soldateska, erhält vom Kaiserlichen Hof in Wien die Aufforderung, mehrere Regimenter für andere militärische Aufgaben abzugeben. Der Kaiser fürchtet nämlich die wachsende Macht des Feldherrn, die sich seiner Kontrolle entzieht.
In dieser Situation überlegt Wallenstein, Verbindung mit den feindlichen Schweden aufzunehmen und "allein Europas Schicksal in die Hand zu nehmen". Er entschließt sich zum Treuebruch und verbündet sich mit den Schweden. Aber auch diese Entscheidung zeigt keinen skrupellosen Mann der Tat, sondern im Sinne Robert Musils einen Möglichkeitsmenschen, der von den Folgen seines Entschlusses überrascht ist.
Der Verlauf der Handlung zeigt, dass dieser zögerliche Entschluss zum Untergang Wallensteins führt. Sein engster Vertrauter Octavio Piccolomini verrät ihn; er kann die Truppen dazu bewegen, sich von Wallenstein abzuwenden. Schließlich wird Wallenstein das Opfer eines schäbigen Meuchelmords. "Das Reich des Nichts, des Todes hat den Sieg behalten" schrieb Georg Friedrich Wilhelm Hegel.
Download-Tipp
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Buch-Tipps
Friedrich Schiller, "Sämtliche Werke", dtv Verlag ISBN 3423590688
Peter-Andre Alt, "Schiller. Leben - Werk - Zeit. Eine Biographie", C.H.Beck Verlag, ISBN 3406531288
Pete-Andre Alt, "Friedrich Schiller", C.H.Beck Wissen (Kurzfassung), ISBN 3406508578
Dieter Borchmeyer, "Macht und Melancholie, Schillers Wallenstein", Edition Mnemosyne, ISBN 3934012183
Claudia Pilling, Diana Schilling und Mirjam Springer, "Schiller", rororo Monographien, ISBN 3449506009
Rüdiger Safranski, "Schiller oder die Erfindung des deutschen Idealismus", Hanser Verlag, ISBN 3446205489