Robert Schindel, ein preisgekrönter Autor
Tragödien der Vergangenheit und ihre Nachwirkungen
Im Zentrum seines Werkes steht die Auseinandersetzung mit dem Judentum, mit den Tragödien der Vergangenheit und ihren Nachwirkungen ins Heute: der österreichische Schriftsteller Robert Schindel.
8. April 2017, 21:58
Einen "Gejagten und Gehetzten", "einen Autor, der mehrfach preisgekrönt wurde, aber nicht integriert ist, der letztlich keine Heimat hat", nennt ihn der Kritiker Marcel Reich-Ranicki. Obwohl Robert Schindel die überwiegende Zeit seines Lebens in Wien verbrachte, stimmt dies vermutlich - denn die Auseinandersetzung mit dem Judentum, den Tragödien der Vergangenheit und ihren Nachwirkungen ins Heute steht im Zentrum seines Werkes. "Vergangenheit kann nicht bewältigt werden. Vergangenheit ist vergangen. Gegenwart muss man bewältigen", so Schindel in einem Interview.
Derzeit wirkt Schindel bei einem ganz speziellen Projekt mit: Im Rahmen des Projektes "nach der flut: indonesien übersetzen", initiiert von der Wiener "Schule für Dichtung" nach der Tsunami-Flutkatastrophe, sollen ein bis zwei Bücher jährlich anhand indonesischer Vorschläge veröffentlicht werden. Österreichische Übersetzer sollen die Rohfassungen, österreichische Autoren - außer ihm derzeit noch Josef Haslinger und Anna Mitgutsch - die Endfassungen erstellen. Voraussichtlich werden die Texte im "Residenz Verlag" erscheinen. Präsentiert werden die Bücher in Kooperation mit den Österreichischen Bundestheatern, dem RadioKulturhaus und der Universität der Bildenden Künste. Diesmal ist Robert Schindel im Ö1 "Klassik-Treffpunkt" bei Renate Burtscher im KulturCafe des RadioKulturhauses live zu Gast.
Als Robert Soel überlebt
Robert Schindel wurde 1944 in Bad Hall (Oberösterreich) geboren - "als Wechselbalg rassisch minderwertiger Eltern / Welche sich als Fremdarbeiter aus Elsass ausgaben", wie er in seinem Gedicht "Erinnerungen an Prometheus" schreibt. Unter dem falschen Namen Robert Soel überlebte der Sohn jüdischer Kommunisten und Widerstandskämpfer als vorgebliches Kind von Asozialen in einem Heim der NS-Volkswohlfahrt. Sein Vater wurde in Dachau hingerichtet, seine Mutter überlebte Auschwitz und Ravensbrück und kehrte nach Wien zurück. Nach einer Buchhandelslehre und der Externistenmatura begann er ein Philosophiestudium.
Ab 1967 war Schindel maßgeblich in der Wiener Studenten- und Kommunenbewegung tätig. 1970 erschien in der von ihm mitgegründeten Zeitschrift "Hundsblume" sein erster Roman "Kassandra", der nun wieder aufgelegt wird. Er arbeitete u. a. als Bibliothekar bei der Gemeinde Wien, als Nachtredakteur bei AFP, als Regieassistent und Dramaturg und als Schauspieler bei Fernsehfilmen.
Vom Kaffeehausliteraten zum anerkannten Lyriker
Zwischen 1979 und 1983 arbeitete er an verschiedenen Drehbüchern mit, die von Lukas Stepanik verfilmt wurden. 1986 erschien sein erster Gedichtband "Ohneland". Es folgten fünf weitere, die der Suhrkamp Verlag nun unter dem Titel "Fremd bei mir selbst" gesammelt neu herausgebracht hat.
Der Wiener Kaffeehausliterat war zum anerkannten Lyriker geworden. "Die Schlichtheit der schönsten Gedichte hat den Charakter wiedergefundener Simplizität: alles beherrscht und durchdacht zwischen Hölderlin und Valery, Nestroy und Mallarme - und in den Dienst einer sehr eigenwilligen Sprache gestellt, die anzeigt, daß hier einem Schriftsteller des Schwerste gelungen ist: die Benennung nachwirkender, gegenwartsbestimmender jüngster Geschichte in Versen und Prosasätzen, die genau sind, weil sie von sehr weit her kommen und uns voraus sind", begründete Walter Jens die Zuerkennung des "Erich Fried Preises" 1993 an Schindel.
Roman "Gebürtig" auch verfilmt
Zu breiter Popularität gelangte Schindel jedoch als Erzähler. Sein Roman "Gebürtig" (1992), ein literarisches Vexierspiel zwischen NS-Vergangenheit und Gegenwart der Waldheim-Zeit, wurde 2001/02 von Schindel und Lukas Stepanik verfilmt, vertrat Österreich im Rennen um den "Auslands-Oscar" und bei internationalen Festivals.
1998 bis 2002 war Schindel Jurymitglied des Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Preises. Derzeit arbeitet er u. a. an einem Schnitzler-Filmprojekt (gemeinsam mit Lukas Stepanik) und am Roman "Der Kalte", dem zweiten Roman der geplanten Trilogie "Die Vorläufigen".
Wiener Wurzeln
So sehr er mitunter am Land und seinen Leuten leidet, so sehr ist Schindel doch Wienerisch verwurzelt - auch als Autor, der seinen Stoff nicht lange zu suchen braucht:
"Man muss ja nur auf die Straße gehen und aufklauben, was man findet, und schon hat man packende Geschichten und Atmosphären", sagte er einmal in einem Gespräch mit "profil", "Wäre ich kein Schriftsteller, wäre mir Österreich vielleicht manchmal politisch schon zu unappetitlich."