Brasilianische Cowboys

Gauchos, Sufis und wildes Polen

Grenzüberschreitend ist die Musik des Ober-Gauchos Renato Borghetti in jeder Hinsicht. Kein Wunder: Die Wurzeln seiner Musik kamen mit den Einwanderern in die Neue Welt, und Gauchos gibt's von Brasilien über Uru- und Paraguay bis weit nach Argentinien.

Renato Borghetti, "Redomona” aus dem Album "Gauchos”

Kühe in Brasilien? Klar doch! 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche Brasiliens gehören den Kühen. Und Brasiliens südlichste Provinz Rio Grande do Sul ist so reich an Kühen (oder darf man Kuh-reich sagen?), dass man seine Einwohner allesamt Gauchos nennt. Von hier stammt der musikalischste aller Gauchos, Renato Borghetti, der Meister der "gaita ponto", jener Variante von Akkordeon, die den Kühe hütenden Reitern des Abends den Sonnenuntergang und so weiter verschönern.

Aber Renato macht nicht bloß "Gaucho-Musik". Er hat eine spezielle, unvergleichliche Melange aus den verschiedensten Volksmusikeinflüssen der unterschiedlichsten Einwanderer mit einem Obershauberl Jazz und - zum Drüberstreuen - einem Hauch von echtem Brazil-Kakao erschaffen. Mit beträchtlichem Erfolg: Seine erste 1984 erschienene LP war die allererste Produktion brasilianischer Instrumentalmusik, die eine goldene Schallplatte eingespielt hat.

14 Alben hat er bislang veröffentlicht, auf "Gauchos", seinem jüngsten, spielt er gemeinsam mit drei Vollblutmusikern, die genau wie er Wanderer zwischen den musikalischen Welten sind. Zwar ist schon die CD alleine eine Wucht, aber der alten Weisheit, dass die meiste Musik live um Klassen besser als die Konserve ist, rate ich dringend, eines ihrer Konzerte zu besuchen. Im Birdland, oder beim Juster in Gutenbrunn, in Pressbaum oder in der Alten Tischlerei in St.Johann/Wimberg.

Sufi-Musik, weiblich

Es ist durchaus nicht üblich, dass Frauen die mystischen Gesänge der Sufis vortragen, und es ist auch nicht üblich, dass diese Gesänge mit so westlichen Instrumenten wie Klavier, Cembalo oder Cello begleitet oder gar elektronisch nachbearbeitet werden. Doch verliert diese zeitgemäße und ungewöhnliche Interpretation nichts von der mystischen, meditativen Kraft der althergebrachten Gesänge. Tradiert ganz im Gegenteil die Überzeugung der Sufis, die von alters her für ihre Weisheiten, ihre Botschaften, ihre Gesänge die einfache Sprache wählten, und sich nicht an einen kleinen Kreis von Eingeweihten richteten.

Rechtzeitig zum von christlicher Mystik geprägten Osterfest erscheinen die mystischen Sufigesänge der in Ankara geborenen Sängerin Sema und ihrem Ensemble Taksim - und niemand wird ihr von islamischer Seite her einen Vorwurf daraus machen, denn Offenheit und Toleranz gehört zu den Grundprinzipien des Sufismus. Eine wunderbare Gelegenheit, im persönlichen (christlichen) Bereich ein wenig Toleranz zu üben und sich vom ruhig fließenden Strom, "der alle Religionen durchfließt", durch die Ostertage begleiten zu lassen.

Straßenbilder, polnisch

"Wir kennen die Musik außerhalb der Akademie. Jahrelang haben wir an der Ecke Florianska/Markt in Krakau gesessen und unsere Quetschen gespielt. Und miterleben dürfen, wie die Profs von der Musikhochschule uns völlig perplex anstarrten, während sie ein paar Münzen in unsere Hüte warfen. Uns kann nichts mehr überraschen", meinen die drei vom Motion Trio. "Irgendwie sind wir Bauern, weißt du, kommen vom Land, wo für einen Musiker nichts wichtiger war, als klasse Musik zum Tanzen zu spielen. Und das wollen wir auch, einfach nur klasse Musik machen."

Wie sie klingt, ihre "klasse Musik"? Versuchen Sie, sich ein unbekanntes Gewürz vorzustellen, das ein wenig nach Pfeffer schmeckt, ganz zart nach Basilikum duftet, aber einen Hauch von Zimt und Kardamom verbreitet, wenn man es auf den Handflächen zerreibt, und im Gaumen eine wohltuende Erinnerung an Zitronenmelissen-Minze. Am 22. März gastiert das Motion Trio im Rahmen des Akkordeonfestivals in der Szene Wien.

Endspurt beim Akkordeonfestival

Wer sich noch nicht an den diversen Quetsch-, Teufelsbälgern, Schifferklavieren etc, erfreut hat, für den wird's höchste Zeit: Nur mehr bis zum Wochenende kann man in Metallzungen-erzeugter Musik schwelgen. Und die wahren Zuckerln gibt's wie immer ganz am Schluss. Exilierte Kosakenklänge (Yuri Lemeshev) mischen sich am Donnerstag mit Klängen des Elektronik-Urahns, dem Theremin, gespielt von Pamela Kurstin.

Finale 1 am Ostersamstag: Kann es sein, dass Renato Borghettis Nachfolger schon nachdrängt? Der Jüngere der Gauchos aus Rio Grande do Sul, Alessandro Kramer, bestreitet mit dem Top-Bassisten Ronaldo Saggiorato und dem Schlagzeuger Fernando Paiva das 1. Akkordeonfestival-Finale. Finale 2 am Ostersonntag ist bulgarisch-serbisch geprägt: Heiße Mahala (Vorstadt)-Sounds aus Sofia bietet das Martin Lubenov Orkestar. Das Finale 3 am Ostermontag ist eine Gastgeberland-Veranstaltung mit Blick auf den heißen Süden Nordamerikas: Cajun Red Stars und Chili Cheeps brausen gemeinsam mit Claudia K. und Willi Resetarits vom wilden Louisiana quer durchs wilde Texas ins immer noch wilde New Mexiko. Ay Carramba!

CD-Tipps
Renato Borghetti Quartett, "Gauchos”. Quinton Q-0501-2 (Edel)

Sema'Zen, Henning Schmiedt & Ensemble, "Mystische Sufigesänge", Peregrina Music PM50402 (Extraplatte)

Motion Trio (acoustic accordions), "Pictures from the Street", CD-ATR 0504 (Ixthuluh)

Veranstaltungs-Tipps
Renato Borghetti Quartett, 22. bis 26. März, Wien, Birdland, 27. und 28. März, Gutenbrunn, Bühnenwirtshaus Juster, 1. April, Pressbaum, Pfarrsaal, 2. April, St. Johann/Wimberg, Alte Tischlerei

Yuro Lemeshev & Pamela Kurstin, 24. März, Wien, dietheater Künstlerhaus

Alessandro Kramer Trio, 26. März, Wien, Planet Music

Martin Lubenov Orkestar, 27. März, Wien, Schutzhaus Zukunft

Cajun Red Stars & Chili Cheeps, 28. März, Wien, Metropol

Links
radiokulturhaus.ORF.at - Wiener Gitarrefestival 05
Renato Borghetti
Akkordeonfestival