Alles war durcheinander
Peter Weinberger, Quantenchemiker
"Hätte ich gewusst, was es für Folgen haben wird, wäre ich Uhrmacher geworden", sagte einst der Begründer der Relativitätstheorie Albert Einstein in Bezug auf die Atomenergie. Aber was soll ein Physiker machen, wenn er getrieben ist, ein Rätsel zu lösen?
8. April 2017, 21:58
Renata Schmidtkunz im Gespräch mit Peter Weinberger
Renata Schmidtkunz: Einstein kam ja nicht aus dem luftleeren Raum, sondern er war auch in einem wissenschaftlichen konzeptuellen Denken seiner Zeit beheimatet. Seine drei wesentlichen Erkenntnisse aus dem Jahr 1905 haben das Weltbild, das bis dahin geherrscht hat, umgedreht. Wo genau war dieser Wendepunkt? Und warum haben seine Erkenntnisse es aus den Bahnen geworfen?
Peter Weinberger: Zum damaligen Zeitpunkt hat es eine Reihe von Experimenten gegeben. Und Vorstellungen. Das war in etwa die Zeit, wo Max Planck angefangen hat zu experimentieren und zu spekulieren. Es war die Zeit, wo plötzlich neue Experimente neue Dinge gezeigt haben. Das führte zu der Erkenntnis, dass die Dinge irgendwie nicht zusammenpassen. Sie mussten also einen dualen Charakter haben. Und der duale Charakter war einerseits die Wellennatur des Lichtes, andererseits hat es auch Effekte gegeben, wo eine Teilchennatur zu Tage gekommen ist.
Es muss eine faszinierende Zeit gewesen sein. Es hat nichts gestimmt. Alles war durcheinander. Es war sozusagen ein Chaos in den Konzepten. Einstein hat ein bisschen zum Chaos beigetragen, ganz einfach deswegen, weil seine Konzepte ja nicht von Anfang an geglaubt worden sind. Er ist ja auch nicht sofort der große Vertreter der Physik des letzten Jahrhunderts geworden. Diese Zeit so zwischen Jahrhundertwende und Beginn des Ersten Weltkriegs ist einfach eine faszinierende Zeit. Nicht nur in den Naturwissenschaften, auch in den Gesellschaftswissenschaften, in den Kulturwissenschaften - es ist ein Ausbruch gewesen!
Und dieser Ausbruch dokumentiert sich in diesen berühmten Veröffentlichungen von 1905. Nur um zu zeigen, wie fulminant diese Zeit war: 1905 war das erste Mal ein Frauenwahlrecht, das soll man nicht vergessen. 1905 hat es eine Revolution in Russland gegeben. Ein altes, morsches zaristisches Regime ist zwar noch nicht verschwunden, aber es war der erste Anlass für so eine Auflehnung. Es hat in der Kunst eine Bewegung gegeben. In der Musik - man denke nur, dass genau zu diesem Zeitpunkt Schönberg angefangen hat zu experimentieren. Also Sie sehen: es ist einfach eine faszinierende Zeit gewesen.
Albert Einstein bewegte sich ja auch in ideologisch gefärbten Vorstellungen. Dazu gehörte auch, dass er immer an dem Ziel arbeitete, eine Vereinheitlichung aller physikalischen Theorien zu schaffen. Es ging ihm darum, Ordnung, Gewissheit, Vereinheitlichung herzustellen. Was hat es denn Ihrer Meinung nach diesem Einstein möglich gemacht, diesen einen Schritt weiter zu gehen als seine Zeitgenossen?
Ich glaube schon, dass das ganz Wesentliche war, dass er nicht alles geglaubt und gängige Konzepte in Frage gestellt hat. Das Gesetz von der Konstanz der Masse war ja etwas, woran man Jahrhunderte geglaubt hat. Man muss sich das einmal vorstellen: Man setzt etwas in Zweifel, was von jedem, von allen als gegeben hingenommen wird. Dann ist das eine gewaltige Leistung. Noch dazu wenn sich nachher herausstellt, dass es richtig ist.
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TU Wien - Peter Weinberger