In der Öffentlichkeit oft bagatellisiert

Bullying

Für viele Kinder ist der Schulalltag ein ständiger Spießrutenlauf: sie werden gehänselt, bedroht, ausgegrenzt oder körperlich belästigt. Was in der Erwachsenenwelt Mobbing genannt wird, nennt sich unter Kindern "Bullying".

"Ich werde immer wieder gehänselt und gestoßen. Einer der Buben hat gesagt, er hat Aggressionen und will sie an mir aussetzen". Was dem 10-jährigen Christoph in der Schule widerfährt, gehört für viele Schüler zum Alltag.

Bullying nennen Fachleute diese alltägliche Gewalt an unseren Schulen. Bullying ist keineswegs ein neues Phänomen. Schon in anderen Schülergenerationen gab es die "Streber", die "Petzer" und andere Außenseiter, denen ihre Mitschüler "Streiche" spielten . Neu ist das Bewusstsein, dass Aggressionshandlungen unter Schülern wie Hänseln, Drohen, Ausgrenzen oder körperliches Attackieren keine Bagatellen sind.

"Wer gebullied wird, steht unter einem starken Leidensdruck", betont Christiane Spiel von der Universität Wien. Die Bildungspsychologin leitete eine Studie, in der Bullying in 46 österreichischen Volks- und Hauptschulklassen untersucht wurde.

Bei dieser Bestandsaufnahme bestätigte sich, dass Buben eher Opfer physischer Gewalt werden, während Mädchen vermehrt psychischem Druck ausgesetzt sind, also etwa gehänselt oder ausgegrenzt werden. Aber, so Spiel, nicht jede Aggressionshandlung unter Schülern kann als Bullying bezeichnet werden. Rangeleien unter Gleichaltrigen seien eine normale Erscheinung in der Entwicklungsphase des Heranwachsens. Ernst wird es, wenn ein Mitschüler über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder Opfer von körperlichen oder psychischen Attacken wird und ein Machtungleichgewicht zwischen Opfer und Täter herrscht.

Mobbing unter Schülern

Wer sich äußerlich von anderen unterscheidet oder neu in der Klasse ist, kommt schnell in die Opferrolle. Aber es sind nicht nur äußerliche Gründe, warum die einen zum Bully und die anderen zu Opfern werden, meint Christiane Spiel: "Wer eher introvertiert ist oder innerhalb des Klassenverbandes isoliert ist, wird eher Opfer. Wer Selbstbewusstsein ausstrahlt oder mitläuft mit der großen Gruppe, wird eher zum Bully".

Ein großes Problem ist für Spiels Kollegin Dagmar Strohmeier, dass Bullying im Gegensatz zum Mobbing - dem Ausüben psychischer Gewalt in der Arbeitswelt - in der Öffentlichkeit noch immer bagatellisiert wird. Während körperliche Gewalt von Lehrerseite zumindest nicht gebilligt werde, gelte soziale Ausgrenzung und Verspotten großteils noch als zulässiges Verhalten: "Wir haben bei unseren Studien gesehen, dass die Täter meist über eine große Anhängergruppe verfügen. Es sind die Opfer, die keine soziale Unterstützung innerhalb des Klassenverbandes haben". Wenn ein Opfer Lehrkräfte oder Eltern in seine Qualen einweiht, wird es als "Petze" stigmatisiert.

Opfer und Täter

Die Folgen für die Opfer können gravierend sein. Die Palette reicht von Schulangst über psychosomatische Symptome wie Bauchschmerzen bis hin zu Depressionen und Selbstmordgedanken.
Dabei ist bemerkenswert, dass körperliche Angriffe von den Opfern leichter verkraftet werden als fortdauernde psychische Gewalt. Während physische Gewalt von Bezugspersonen eher wahrgenommen und geahndet wird, werden subtilere Formen des Bullying wie verbale Angriffe, Bedrohungen, Verbreiten von Gerüchten und Ausgrenzungen von der Außenwelt oft kaum wahrgenommen.

"Das Opfer wird lange niemanden in das Martyrium einweihen, weil es ihm die Opferrolle selbst unangenehm ist. Meist sind es auch introvertierte Kinder, die sowieso nicht leicht aus sich herausgehen", schildert Beziehungspsychologin Spiel das Problem.

Wenn Eltern vermuten, dass ihre Kinder Bullying-Opfer geworden sind, dann sollten sie in jedem Fall ein Gespräch mit den Lehrern suchen. Oft hilft es schon, das Thema in der Schulstunde anzusprechen. Den Opfern rät Christiane Spiel, ein Selbstbehauptungstraining zu absolvieren. In schwierigen Fällen sei auch ein Schulwechsel ratenswert. An einigen Schulen versucht man, dem Phänomen Bullying mit neuen Maßnahmen entgegenzusteuern. Am Gymnasium Rahlgasse in Wien etwa werden jeweils eine Schülerin und ein Schüler pro Klasse zu "Streithelfern" ausgebildet, die in Konfliktfällen einschreiten.

Download-Tipp
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