Wie Fahnen im Wind
Kopftuchstreit
In Wien warnt die FPÖ, dass die Stadt nicht Istanbul werden dürfe. Gleichzeitig will die Innenministerin ein Kopftuchverbot für Schulen. Dabei ist es noch nicht allzu lange her, da Kopftücher das Zeichen streng katholischer Kirchgängerinnen waren.
8. April 2017, 21:58
Ich seh' sie noch gut vor mir: die Frauen in meiner Unterkärntner Heimat, wenn sie sonntags zur Kirche unterwegs waren. Lange Wege haben sie auf sich genommen - und wenn sie in die Frühmesse gingen, hieß es oft um fünf Uhr aufstehen. Im Winter - und davon gab's damals längere und mit mehr Schnee als in jüngster Zeit - waren die Wege mühselig, aber die Frauen ließen sich davon nicht abhalten.
Der berühmte aus Deutschland stammende Maler Werner Berg hat sie in vielen Holzschnitten und Ölgemälden verewigt. Im trüben Dämmerlicht, neben dem verschneiten Weidezaun, oder auch ganz einfach einsam unterwegs. Ach ja, und alle haben Kopftücher getragen. Nicht gegen die Kälte, das gehörte damals einfach zur Tradition, vielleicht sollte ich hinzufügen: zur Tradition aufrechter Christinnen.
Seit der europäische Westen auch ein Hort der Einwanderung von Moslems geworden ist, feiert das Kopftuch wieder fröhliche Urständ. Was heißt "fröhlich"? Im Gegenteil: das Kopftuch ist zum - der Vergleich war unvermeidlich - "roten Tuch" geworden.
Erst hat es in Frankreich Schlagzeilen gemacht, weil dort die Unterrichtsbehörden den Schülerinnen islamischer Herkunft verboten haben, das Kopftuch in der Schule zu tragen. Und nun hat die Innenministerin in Österreich auch am Kopftuch etwas Anstößiges gefunden: Sie will es islamischen Lehrerinnen verbieten. Wo das Problem liegt, wenn katholische Religionslehrer genau so im schwarzen Anzug und weißem Hemdkragen auftreten dürfen - und damit offen ihr Glaubensbekenntnis zur Schau tragen (was ich übrigens gar nicht bewerten will) - versteh' ich nicht. Aber vielleicht wollte die Frau Minister nur kurz von etwas anderem ablenken und auf ein Thema hinweisen, von dem sie weiß, dass es zu Emotionen führt - so wie die türkischen Fahnen vor der Kunsthalle in Wien.
Dass sich eine kulturelle Institution eines Themas annimmt, das gerade in diesen Wochen und Monaten von großer Aktualität ist, sollte eigentlich nicht verwunden. Was wundert (oder wenn man sich die Akteure ansieht, vielleicht ohnehin nicht) ist, dass diese absolut harmlosen Fahnen, noch dazu im Hinterhof des Museumsquartiers platziert (jedenfalls von der Straße aus nicht sichtbar), so eine Aufregung erzeugen. Ein paar Wochen, ein paar flatternde Fahnen im Wind. Aber Aufregen ist ja auch Aufgabe der Kunst, und so hat sie wohl ihr Ziel erreicht.
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