Der Dichter als Wien-Reisender

Andersen in Wien

Hans Christian Andersen "rollt auf Wien zu", hat der dänische Dichter selbst seine erste Ankunft in der Hauptstadt der k. u. k. Monarchie anno 1834 beschrieben. Seine Eindrücke sind in seinen Tagebüchern und Romanen dokumentiert - und jetzt auch in einer Ausstellung.

Kos: Andersen war damals so was wie ein Medienstar

2005 ist nicht nur Schiller- und Stifter-, sondern auch Andersen-Jahr, denn am 2. April jährt sich der Geburtstag von Hans Christian Andersen zum 200. Mal. In Dänemark, der Heimat des Dichters, findet am 2. April mit einer groß angelegten Fernseh-Show der Auftakt zum Andersen-Jahr statt, das mit einem neuen Museum in Kopenhagen, mit Ausstellungen, Theater und Musical und einem Budget von 67 Millionen Euro begangen werden soll.

Boshaft, kritisch und vergleichend

Bereits jetzt kommt aus Dänemark eine Ausstellung ins Wien Museum Karlsplatz, die hier für die Bundeshauptstadt adaptiert wurde. "Andersen in Wien" zeichnet nicht nur das Leben des dänischen Märchendichters nach, sondern präsentiert auch Andersen als Wien-Reisenden.

"Es ist immer faszinierend, wenn man Bemerkungen eines Prominenten findet, oder eines tollen Autors wie Andersen, der das Wiener Leben ungefiltert boshaft, kritisch und vergleichend mit anderen Städten bewertet", meint Wien-Museum-Direktor Wolfgang Kos. Da Andersen zu seiner Zeit ein Bestseller-Autor und "so etwas wie ein Medienstar war, der ständig in Talk-Shows gewesen wäre", stellt sich die Frage, "was interessiert einen Star wie ihn an Wien? Es ist ein bisschen 'Seitenblicke', historisch gesehen", so Kos weiter.

Andersen als Reise- und Romanschriftsteller

Als Reise- und Romanschriftsteller kennt man Andersen bis heute weit weniger als seine Märchen, als "Das hässliche Entlein", "Die kleine Meerjungfrau" oder "Däumelinchen". Sechs Romane, fünf Reisebücher, 40 Schauspiele, 800 Gedichte und an die 1000 Scherenschnitte hat Hans Christian Andersen hinterlassen. Im Wien Museum ist jetzt nicht nur sein facettenreiches literarisches Werk zu entdecken, sondern auch sein ganz spezieller Zugang zur Stadt Wien.

"Er ist sehr oft durch die Stadt flaniert und hat sich von der Umgebung Wiens inspirieren lassen", erzählt die Kuratorin der Schau, Ulrike Spring. Die Sehenswürdigkeiten Wiens hat Andersen oft mit Spott bedacht: "Den Stephansdom z. B. hat er als einen sehr kunstvoll gespitzten Kirschenkern bezeichnet", so Spring weiter.

"Leute im Frack und mit Kartoffelgesichtern"

Die Wiener waren für Andersen "Leute im Frack und mit Kartoffelgesichtern", wie er in seinem Roman "Nur ein Geiger" schrieb. Dafür ließ er an anderer Stelle eine seiner Romanfiguren beim Ausblick vom Kahlenberg ausrufen: "Ja, Österreich ist viel schöner als Dänemark!".

Die Ausstellung zeigt einerseits, wie Wien von Andersen gesehen wird - sein Blick auf die Gebäude und die Infrastruktur von Wien -, und andererseits, wie Andersen von den Wienern und Österreichern gesehen wird. Dokumentiert ist das in zahlreichen Buchillustrationen von Alfred Kubin bis zur österreichischen Andersen-Preisträgerin Lisbeth Zwerger.

Andersen zum Hören

Andersen wird vor allem als Autor präsent sein. "Darum war es uns sehr wichtig, dass man die Märchen auch hört, die ja nicht nur Märchen sind im abwertenden Charakter, sondern eben großartige Prosatexte", so Wolfgang Kos. Daher werden jeden Freitag, Samstag und Sonntag um 16.00 Uhr Ensemblemitglieder des Burgtheaters im Wien Museum Andersen-Märchen lesen - bei freiem Eintritt.

Veranstaltungstipp
Ausstellung "Andersen in Wien", 10. März bis 30. April, im Atrium des Wien Museums, der Eintritt ist frei.

Links
Wien Museum - Andersen in Wien
Wikipedia - Hans Christian Andersen
hcandersen.com - Märchenhaus
HC Andersen 2005