Langsame Zeit und schrumpfender Raum

Spezielle Relativitätstheorie (SRT)

Im "Jahr der Physik 2005" stehen die epochalen Theorien des Physikers Albert Einstein im Mittelpunkt vieler Ö1 Sendungen. Hier die Erklärung der wichtigsten Begriffe seiner wissenschaftlichen Arbeiten zum Nachlesen.

Die SRT (englisch STR) legte Einstein 1905 in zwei Teilen vor, im Gegensatz zur Allgemeinen Relativitätstheorie (ART, englisch GTR, General Theory On Relativity), die er 1915 publizierte. Die Namensgebung ist dabei etwas unglücklich, die "Allgemeine" Theorie nur partiell eine Verallgemeinerung der SRT.

Diese ist in der ART nicht einfach "enthalten". In der SRT befasst Einstein sich vorerst mit der Bewegungslehre (Kinematik) unter der Bedingung der absoluten, unabänderlichen Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (c), insbesondere deren Unabhängigkeit von der eigenen Bewegung eines Beobachters oder Messinstruments, und unter Abwesenheit (bzw. Vernachlässigung) der Schwerkraft.

1+1=1

Diese Eigenheit des Lichts und anderer Strahlung wurde bereits durch James C. Maxwells Theorie des Elektromagnetismus nahe gelegt (Licht ist ein elektromagnetisches Phänomen) und durch das berühmte Michelson-Morley-Experiment zweifelsfrei nachgewiesen. Die absolute Konstanz von c war also ab dem Jahr 1887 bekannt.

Sie erfordert jedoch eine völlige Neufassung der Kinematik, da offenbar die einfachen Additionsgesetze der klassischen Newtonschen Mechanik nicht mehr gelten. Beispiel: c + c ist demnach nicht 2c, sondern einfach c. Also 1 + 1 = 1 statt 2.

Viele Physiker beschäftigen sich zwischen 1887 und 1905 mit diesem Problem, ohne zu einer stringenten Lösung zu gelangen Zu erwähnen ist der Niederländer Hendrick A. Lorentz: Eine zentrale mathematische Transformation der SRT (die neuen Additionsgesetze für Zeiten, Strecken und Geschwindigkeiten) heißt bis heute die "Lorentz-Transformation".

Die Zeit fließt "langsamer", der Raum "schrumpft"

Einsteins radikale und revolutionäre Lösung für die kinematischen Probleme bestand darin, dass Raum und Zeit deformierbar seien, respektive unter gegebenen Bedingungen tatsächlich deformiert werden. So ist Zeit nach Einstein keine "wahre, absolute und mathematische Zeit, die vermöge ihres Wesens gleichförmig verfließt", wie jeder Mensch selbstverständlich zu wissen glaubt, und wie es auch Isaac Newton für die klassische Mechanik als Axiom voraussetzte: Unter gegebenen Umständen tritt vielmehr eine Dehnung der Zeit ("Zeitdilitation") auf, das heißt die Zeit verfließt langsamer.

Wobei dies, und das ist entscheidend, nicht bloß ein Messergebnis ist, oder eine Störung des Messinstruments Uhr (durch spezifische Eigenschaften eines Universalmediums der Lichtausbreitung, "Äther", wie Lorentz annahm). Vielmehr ist die Dehnung eine Eigenschaft der Zeit selbst, sie verfließt tatsächlich langsamer.

Analoges gilt für den Raum, wobei hier Kontraktion, also "Schrumpfung", in der Raumrichtung einer Bewegung zu beobachten ist. Wiederum ist dies nicht eine Störung des Messvorgangs durch eine mögliche Deformierung des Maßstabs, sondern der Raum selbst "schrumpft". Er verändert seine geometrischen Eigenschaften.

Materie und Energie - die beiden Seiten einer Münze

Dieser "exotische", radikal neue Ansatz der SRT löste die markanten Widersprüche der Physik jener Zeit. Einstein leitete in der Folge etwa ab, dass die physikalischen Begriffe "Materie" und "Energie" neu zu formulieren waren.

Dabei erweist sich, dass beide nicht getrennte, voneinander unabhängige Entitäten darstellen: Sie sind vielmehr untrennbar miteinander verzahnt sind, sind gleichsam die beiden Seiten ein und derselben Münze - ausgedrückt in der "berühmtesten Formel der Welt", E = mc2.

Weiters erweitert sein Konzept, wie Einstein zeigen kann, Maxwells Theorie des Elektromagnetismus und beseitigt bestehende Ungereimtheiten. (Der Originaltitel von Einsteins erster Arbeit zur SRT lautet denn auch: "Zur Elektrodynamik bewegter Körper".) In der späteren ART befasst Einstein sich hingegen mit der Gravitation. Ergebnis ist, dass die Schwerkraft nicht in klassischem, Newtonschen Sinn als Kraft aufzufassen sei, sondern (in zur SRT analoger Weise) eine Eigenschaft der Raumzeit darstellt, nämlich ihrer Verformung (Krümmung) durch das Vorhandensein von Masse.

Dabei kommt es zu einer Neufassung von Newtons zentralem Begriff der physikalischen Kraft ("Die Welt ist eine Welt aus Kräften"), die wiederum auf die SRT zurück wirkt. In diesem Aspekt ist die ART tatsächlich eine "Verallgemeinerung" der SRT. Zusammengefasst, ersetzt die SRT Newtons klassische Mechanik, impliziert eine neue Masse-Energie-Beziehung und erweitert Maxwells Elektrodynamik. Die ART hingegen ersetzt Newtons Gravitationstheorie.