Der Rausch des Lernens
Harvard, Yale und Co.
John Harvards linker Fuß ist blitzblank. Für Studenten gehört es zur Tradition die Statue des Uni-Patrons an Prüfungstagen zu küssen. Dankbar zu sein, haben sie allen Grund, dürfen sie doch an der weltweit renommiertesten Universität studieren.
8. April 2017, 21:58
30.000 Dollar aufwärts kostet ein Jahr Studium an Universitäten wie Harvard oder Yale. Dafür kommt auf einen Professor nur eine Handvoll Studenten - ganz anders als in Österreich, wo Professoren manchmal 500 Studenten zu betreuen haben.
Für Viktor Mayer-Schönberger, Professor an der dortigen Kennedy-School of Government, macht jedoch nicht die malerische Kulisse den Reiz der privaten Elite-Einrichtung aus. Er verdient kaum mehr als ein europäischer Ordinarius, hat ein kleines Büro und muss sich das Sekretariat mit drei anderen Lehrenden teilen. Aber: "Es ist ein bisschen so, als hätte man ständig den Rausch des Lernens hier."
Eine reiche Universität
Dazu trägt wohl auch bei, dass Harvard als die reichste Universität der Welt gilt: 23 Milliarden Dollar, das sind rund 18 Milliarden Euro, beträgt derzeit ihr Stiftungsvermögen. Die Renditen sind so hoch, dass Harvard längst keine Studiengebühren mehr einheben müsste.
Seit den Zeiten des Reverend John Harvard, der der Uni 1638 sein Vermögen und seine Bibliothek vermachte, ist die Eliteschule durch Spenden gewachsen. Das Jahresbudget Harvards mit seinen 20.000 Studenten: Rund 2 Milliarden Euro - etwa so viel, wie alle österreichischen Universitäten zusammen im Jahr 2004 erhalten haben. Und dieser Reichtum scheint erfolgreich zu machen: 40 Nobelpreisträger hat die Einrichtung bisher hervorgebracht.
Das MIT
Direkt neben Harvard liegt eine weitere Eliteeinrichtung: das MIT - das Massachusetts Institute of Technology. Mit 57 Nobelpreisträgern ist es in Sachen Prämiierungen noch erfolgreicher als Harvard.
Eines der Erfolgsrezept am MIT, wie die Biochemikerin Gordana Vunjak-Novakovic meint: flache Hierarchien: "Wir versuchen hier die besten Studenten der Welt zu bekommen. Und wir lassen sie zum Großteil das machen, was sie selber wollen."
In Österreich arbeiten die Studiosi gemeinhin an den Ideen ihrer Vorgesetzen, obwohl gerade in den Naturwissenschaften die besten Leistungen bereits in sehr frühen Jahren erbracht werden.
Verantwortung der Hochschule
Wer, so wie Studenten am MIT, mehr als 30.000 Dollar Schulgeld pro Jahr bezahlt, der hat natürlich hohe Ansprüche an den Unterricht. Und die werden an Universitäten wie Harvard oder dem MIT auch eingelöst.
Wer einmal aufgenommen ist, für den fühlt sich die Hochschule auch verantwortlich. Da wird nicht nach österreichischer Manier willkürlich "hinaugeprüft", sondern man hilft dem Studenten, sein Studium zu absolvieren. Die Abschlussquoten liegen daher bei fast 100 Prozent.
Aber Exzellenz geht nicht ohne Selektion
Wer mit einem Abschluss am MIT oder Harvard glänzen oder dort gar unterrichten will, muss zuerst die Aufnahmehürden bestehen. Das schafft nur etwa jeder Zehnte. Gefragt sind nicht nur Leistungsfähigkeit, sondern auch soziales Engagement.
"Wir haben auch hohe Erwartungen in die menschliche Entwicklung unserer Studenten. Es geht auch darum, was sie außerhalb des Klassenzimmers geleistet haben, etwa für die Gesellschaft. Wir versuchen abzuschätzen, welchen gesellschaftlichen Beitrag sie noch leisten werden - nach einer Chance wie Yale. Deshalb sind wir sowohl an den akademischen Erwartungen, als auch ihren Lebensvorstellungen interessiert." So umreißt der Chef der Aufnahme-Kommission in Yale, Richard Shaw, den Auswahlprozess.
Soziale Ausgewogenheit
Trotz der hohen Studiengebühren, bemühen sich die Elite-Universitäten meist um soziale Ausgewogenheit - Harvard und Yale können sich dieses Engagement wegen ihres Reichtums auch leisten: So bieten sie eigene Stipendienprogramme bzw. zinsenlose Darlehen an, die dann je nach späterem Lebenseinkommen zurückgezahlt werden müssen. Kein Problem, wenn man sein Studium mit dem Markennamen "Harvard" oder "Yale" abschließt.
Wer im Rahmen eines Doktoratsstudiums im Labor forscht, dem wird das Schulgeld meist von seinem Professor bezahlt. Und damit lässt sich beruhigter studieren als mit Geldsorgen.
Soziale Selektion passiert schon lange vor der Hochschule
Paradies sind die amerikanischen Elite-Unis aber dennoch nicht. Die Duke-University zum Beispiel sucht gezielt nach Kindern zahlungskräftiger Eltern, um möglichst wenig soziale Unterstützung bieten zu müssen.
Und wer das Pech hat, eine US-Grundschule in einem so genannten "schlechten Viertel" zu besuchen, der hat von Beginn an keine Chance, je an einer attraktiven Universität aufgenommen zu werden. Die soziale Selektion passiert schon lange vor der Hochschule.
Drei Finanzierungsquellen
Finanziert werden die Universitäten über drei Schienen: Einerseits aus Spenden ehemaliger Absolventen, die ihrer Schule verbunden bleiben. Dann zahlt auch der Staat kräftig mit - das MIT bekommt immerhin eine halbe Milliarde Dollar jährlich aus öffentlichen Geldern, vor allem vom US-Verteidigungsministerium. Als dritte Finanzquelle nutzen die Universitäten Drittmittel aus der Industrie und der Forschungsförderung, die sie mit attraktiven Projekten einwerben.
Dass die amerikanischen Spitzen-Universitäten mit ihren Forschungs-Ergebnissen immer wieder aufhorchen lassen, das liegt auch an ihrer "Personalpolitik". Am MIT zum Beispiel kommt rund die Hälfte der Forscher und Studenten aus Europa und Asien. Ohne gute Leute aus dem Ausland, so meinen Wissenschafter, sähen auch amerikanische Eliteuniversitäten anders aus.
Mehr zum Thema Bildung und Lernen in oe1.ORF.at
Der Mythos Elite
Mit Kindern wachsen
Die Schlüsselrolle des Lehrens
Gehrer lässt gemeinsame Schule prüfen
Grüne gegen verpflichtende Sprachkurse
Gehrer will Förderunterricht verbessern
Gratis-Schule: ÖVP gegen Zweidrittelmehrheit
Reform der Lehrerausbildung nicht ohne die Kirche
Ganztagsschule: SPÖ für Wahlmöglichkeit
Bildungsreform: Zwei-Drittel-Mehrheit dringend abschaffen
FPÖ: Lehrer sollen sich in Schulen vorbereiten
PISA und die Folgen
Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.
Buch-Tipp
Michael Hartmann, "Der Mythos von den Leistungseliten", Campus Verlag, ISBN 3593371510
Michael Hartmann, "Elitensoziologie", Campus Verlag, ISBN 3593374390