Was ist männliches Wohnen?
Männerräume
Wohnen Männer wirklich anders als Frauen? Stimmt etwa das Klischee, dass Männer im Wohnbereich harte Materialien bevorzugen, klare Linien schätzen und gedeckte Farben lieben? Ein Lokalaugenschein in männlichen Single-Wohnungen.
8. April 2017, 21:58
Lebens- und Sozialberater Rupert Schmidt
Eine Wohnung soll aussehen wie ein englischer Anzug, meinte einst der Architekt Le Corbusier. Geradlinig, funktional und bar jeden unnötigen Dekors. Noch heute gilt Le Corbusiers Prämisse als Inbegriff des "maskulinen" Wohnens im Gegensatz zum dekorbeladenen "femininen" Wohnen.
Ein Reich aus Chrom, Glas und Leder
"Man kennt es aus Filmen wie '9 1/2 Wochen'. Die Wohnung des coolen Mannes ist schwarz-weiß mit viel Glas, Stahl und Kühle", beschreibt der Innenarchitekt Christian Heiss das von Hollywood propagierte Bild der "maskulinen Wohnung".
Klar und offen, ohne Schnickschnack, neutral in den Farben und funktional: So wohnt ein "richtiger Mann". Oder besser: So wird uns glauben gemacht, dass Männer wohnen. Als Inbegriff des "männlichen Wohnens" gilt neben den kühlen Materialien und den gedeckten Farben auch Offenheit, Funktionalität und Beschränkung auf das Wesentliche.
Funktion und Spartanismus
"Meine letzte Freundin hat die Art und Weise, wie ich wohne, sehr kritisiert. Ihr war es zu maskulin", erzählt der 60-jährige Lebens- und Sozialberater Rupert Schmidt. Er bewohnt ein 160m2-Domizil in Wien, das Wohn- und Arbeitsbereich beherbergt. Schwarze Ledercouch findet sich keine hier. Wohl aber ein Schlafzimmer mit rosa Wänden.
"Das ist Paprika, nicht Rosa", berichtigt Rupert Schmidt, "eine etwas feminine Farbe, aber sie gefällt mir". Ansonsten treffen viele der Klischees zu: offene, spärlich eingerichtete und vorhanglose Räume, eine spartanische, aber funktionale Küche. Die Sammelstücke beschränken sich auf einige wenige beim Spazierengehen mitgenommene Schätze aus der Natur. Schöne Steine etwa.
Wohnen in der Leere
"Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Wohnungen systematisch von allen weiblichen Attributen geleert", beschreibt die Architektin Sabine Pollak in ihrem Buch "Leere Räume. Weiblichkeit und Wohnen in der Moderne" den Wechsel von der dekorativen Wohnung zum geleerten. Zu den als "weiblich" beschriebenen Attributen gehörte auch das Ansammeln von nutzlosen Dingen in Innenräumen. Erstaunlich, wenn man in Betracht zieht, dass bis zur vorletzten Jahrhundertwende das Sammeln von Gegenständen jeglicher Art eine als eher männlich typisierte Praktik war.
Es war vor allem der französiche Architekt Le Corbusier, der in den 20er Jahren eine "Maskulinisierung" der Wohnens forderte und bislang für die private Häuslichkeit unabkömmliche Eigenheiten in Frage stellte. Statt der Vorhänge propagierte er das nackte Fensterglas, statt überbordender Vitrinen den Einbauschrank für wenige, nützliche Objekt, und statt der Blümchentapete die leere Wand.
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