Die magisch-religiöse Faszination des Geldes

Cash-Flow: Geld sei Dank!

Galt einst Gott als allmächtig, so ist es heute das Geld: Geld kann alles, nach ihm strebt alles, durch es lebt alles - ob Millionen-Show, Lotto-Fieber oder der täglich gebannte Blick auf den Börsenreport. Doch liegt unser aller Seelenheil wirklich in der erlösenden Macht des Kapitals?

Expertenmeinungen über die Macht des Geldes

Es scheint: Geld kann alles, nach ihm strebt alles, durch es lebt alles. Ob Millionen-Show, Lotto-Fieber oder der tägliche gebannte Blick auf den Börsenreport. Geld übt auf viele Menschen eine quasi magisch-religiöse Faszination aus. Es verheißt Wohlstand, Sicherheit, Gesundheit, Glück und Ansehen - Geld steht für Leben.

Das Seelenheil scheint im Cash-Flow zu liegen, in der Kaufkraft und Kreditwürdigkeit für deren Sicherheit die Banken sorgen. Aber Gnade Gott jenen, die rettungslos in der Schuldenfalle verstrickt sind.

Geld als Zauberstab für die Zukunft

Die Realität des Geldes bestimmt so zentral unsere Lebenswirklichkeit, dass es dringend nötig ist, die Rolle des Geldes kritisch zu reflektieren. Der Wirtschaftsphilosoph Erich Kitzmüller von der Universität Graz und der Theologe und Sozialethiker Herwig Büchele von der Universität Innsbruck haben zur Diskussion über die Rolle des Geldes kürzlich ein Aufsehen erregendes Buch vorgelegt. Es heißt: "Geld als Zauberstab und die Macht der internationalen Finanzmärkte": "Geld ist nichts Neutrales“ - so die Anfangsthese von Erich Kitzmüller - "Geld ist der Zauberstab, mit dem heute die Zukunft von morgen festgelegt wird“.

"Das Geld ist Medium sowohl von gesellschaftlicher Integration als auch Spaltung“, schreiben Erich Kitzmüller und Herwig Büchele. Geld verbindet also, und Geld trennt. Trotz massiver Geldkritik lassen sich die Autoren nicht zu einer fundamentalistischen Verdammung des Geldes hinreißen, sondern differenzieren.

Mahnende Worte der Bibel

Auch der Bibel geht es nicht darum, Geld an sich zu dämonisieren. Aber sie steht ihm kritisch gegenüber, wenn Wirtschaften alllein auf Gewinn abzielt, weil die Gewinnsucht an sich unersättlich ist. Im Alten Testament reagierte man darauf noch mit Zinsverboten - eine Praxis die es übrigens auch im Islam gibt, die aber im spätmittelalterlichen Christentum als wirtschaftsfeindlich aufgegeben wurde.

Dennoch: Die Bibel prangert den ungerechten Reichtum an, der anderen Menschen Lebenschancen stiehlt und somit Zukunft verbaut. Da wo die Gier nach Geld und Profit zu einem letztbestimmenden Sinn der Wirklichkeit gemacht wurde, entstehen Armut, Ausbeutung, und instabile soziale Verhältnisse. Und was im Umgang mit dem so genannten "kleinen Geld“ gilt, gilt erst recht für den Umgang mit dem "großen Geld“ auf den Kapitalmärkten.

Die Macht der Finanzmärkte

Die Anfang der 90er Jahre deregulierten internationalen Finanzmärkte beeinflussen heute in ungeahntem Ausmaß die Realwirtschaft. Die ursprüngliche, langfristig sichernde Finanzierungsfunktion ist vielerorts in den Hintergrund zugunsten des kurzfristigen Profitgewinns getreten. Und das ist eine Gefahr für jegliches Wirtschaften und damit für das Gemeinwohl.

In der Wirtschaft sind grundsätzlich zwei verschiedene Verhaltensweisen anzutreffen. Eine davon ist der Umgang mit Gütern und Dienstleistungen in der Realwirtschaft, also in der Wirtschaft, in der es um nützliche Gebrauchswerte geht. Dort kann Wettbewerb seine positive Funktion entfalten: Die Kunden haben die Möglichkeit herauszufinden, wodurch sich die Produkte, Verfahren und Angebote diverser Anbieter am Markt voneinander unterscheiden und treffen daraus ihre Wahl. Aber es gibt auch einen anderen Wettbewerb, sagt Erich Kitzmüller.

Der Konkurrenzkampf

Dabei gehe es - so der Buchautor - um die Vernichtung und Einverleibung des Wirtschafts-Konkurrenten am Markt. Dieser Wettbewerb sei schlecht für die Wirtschaft, für die Arbeiter und Angestellten, das Gemeinwesen, die Umwelt und für die Kunden. Dieser ökonomische Vernichtungskampf werde heute über das Geld ausgetragen.

Heute imponiert das rein quantitative Mehr. Und weil dieser Profit in unserem Finanzsystem gesteigert und gesteigert werden kann, führt das zu einer Jagd, zu einer Beschleunigung, Entsinnlichung und Entwertung sozialer Bezüge und der Realwirtschaft, von denen wir leben.

Korrektur und Kontrolle notwendig

Die internationalen Finanzmärkte - darüber sind sich Kitzmüller und Büchele einig - bedürfen dringend einer Korrektur und Kontrolle. Eine dieser Maßnahmen könnte die Einführung der so genannten Tobin-Steuer sein. Diese geringfügige Abgabe auf internationale Devisentransaktionen fordert seit einigen Jahren die aus Frankreich stammende globalisierungskritische Organisation ATTAC - eine Forderung, der sich übrigens auch die christlichen Kirchen in Österreich in ihrem ökumenischen Sozialwort angeschlossen haben. Vorstellen können sich das auch viele Politiker in Österreich, doch keiner wagt den ersten Schritt.

Repolitisierung der Politik

Weil sich die Finanzmärkte völlig aus der Finanzierung des Gemeinwohls verabschiedet haben, plädiert Erich Kitzmüller für eine Repolitisierung der Politik. Die Politik soll Rahmenbedingungen schaffen, indem sie im Finanzbereich neue Steuern einführt. Die Nationalstaaten seien derzeit allein mit dieser Rolle überfordert. Es brauche dazu eine einflussreiche übergeordnete Instanz. Denn der Konflikt zwischen jenen, die aus Finanzspekulationen Gewinne ziehen wollen, und jenen, die in die Produktion investieren, verschärfe sich.

Rat Transnationaler Akteure

Herwig Büchele und Erich Kitzmüller fordern daher einen "Rat Transnationaler Akteure“. In diesem Rat sollten verschiedene Interessensvertreter des Weltwirtschafssystems sitzen, z. B. Staaten, Unternehmungen, Banken und Nichtregierungsorganisationen.

Auch die Kirche sollte bei der Schaffung dieses globalen Gremiums eine Rolle spielen. Sie sollte vorbereitend und aufklärend helfen, indem sie etwa die Redebühne für ein Symposion von Experten schafft. Der Papst als weltweit anerkannte Autorität könnte dem Anliegen Rückenwind verschaffen, hofft Herwig Büchele. Jedenfalls ortet der Jesuit im Vatikan Interesse, sich des Themas verstärkt anzunehmen.

Der "Rat Transnationaler Akteure" könnte zudem auch die Ressourcen und Rahmenbedingungen für einen "Globalen Marshallplan" schaffen, mit dem die Weltentwicklungsziele, auf die sich alle Staaten der Welt bis zum Jahr 2015 verpflichtet haben, erreicht werden könnte.

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Buch-Tipp
Erich Kitzmüller und Herwig Büchele, "Das Geld als Zauberstab und die Macht der internationalen Finanzmärkte", LIT Verlag, ISBN 3825882810

Download-Tipp
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Links
LIT Verlag - Buchrezension
ATTAC Austria
http://www.ksoe.at
Global-Marshall-Plan-Initiative