Selbstbewusst und kritisch

Afrikanische Klassiker

Nirgendwo anders auf dieser Welt ist schriftstellerisches Tun mehr "politischer Akt" als in Afrika. Für viele junge Leute wurden Gedichte und Romane zur Basis und zum Ausgangspunkt ihres politischen Denkens, denn dort lasen sie, was niemand auszusprechen wagte.

Alle sind sie in den klassischen afrikanischen Romanen zu finden: die Verlierer und die Aufsteiger. Die brutalen Unterdrücker. Die machtgeilen Jungafrikaner. Die Geldscheffler, Betrüger, Bettler. Die Aufrechten und die zum Scheitern verurteilten Idealisten. Und die meisten haben ein Pendant in der afrikanischen Wirklichkeit. Was unmittelbaren Einfluss auf die Lebensqualität der Schreibenden hatte (und hat): Missachtung, Behinderung, Repressalien, Gefängnis, Exil.

Kritik unerwünscht

Thomas Mofolo, Druckereiarbeiter und Lehrer der evangelischen Mission in Morija, Lesotho, begann, Lektüre für die Missionsschüler zu schreiben, was wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde, solange er "christlich" blieb. Als er aber im Jahr 1908 die unter großen persönlichen Strapazen recherchierten Lebensgeschichte des "afrikanischen Napoleon" Chaka Zulu veröffentlichen wollte, verweigerten ihm seine Dienstherren die Druckerlaubnis: Zu massiv war die (nebenbei eingeflossene) Kritik an den weißen Eindringlingen. Man fürchtete außerdem ein Erstarken des schwarzen Selbstbewusstseins, obwohl Mofolo ein sehr realistisches Bild vom Machtmissbrauch seines Protagonisten zeichnet. Erst 1925 erschien nach mehreren Umarbeitungen eine gedruckte Ausgabe.

Mit Chaka Zulu hat Mofolo den nach Unabhängigkeit strebenden Afrikanern eine wichtige Identifikationsfigur geschenkt - unwillentlich, denn der Tyrann und Massenmörder wurde zum großen Vorbild umgedeutet. Vor allem Kwameh Nkrumah, der spätere Staatspräsident Ghanas, gefiel sich als wiedergeborener Chaka Zulu. Er und seine katastrophale von Vetternwirtschaft und Korruption geprägte Herrschaft dämpften die hochgesteckten Erwartungen in die "besseren Jahre" der Unabhängigkeit, und wurden zum Hintergrund des 1968 erschienenen ersten Romans von Ayi Kwei Armah, "Die Schönen sind noch nicht geboren". Armah ging, nachdem "man" ihn nicht an der Beseitigung des Chaos' mitwirken lassen wollte, ins Exil.

Ganz neues Französisch

Ebenfalls 1968 erschien "Der letzte Fürst" von Ahmadou Kourouma, ein Roman, der völlig Neues in die afrikanische Literatur brachte. Er schuf das afrikanische Französisch - ein Graus für die auf perfektes Französisch eingeschworene frankophone Gemeinschaft! Kourouma verwendet nicht nur Malinke-Worte und Begriffe, streut Sprichwörter und Redewendungen ein, er nimmt auch grammatikalische Wendungen aus seiner Muttersprache und überträgt sie eins zu eins ins Französische und verbiegt überdies den starren französischen Satzbau zu einer rhythmisiert-afrikanischen Variante.

Und inhaltlich getraut er sich, mit mehreren Ansichten aufzuräumen: dass Afrika vor der Kolonialisierung friedlich gewesen wäre, dass alles in der Kolonialzeit schlecht war, dass der schlechte Start in die Unabhängigkeit von den Kolonialmächten vorprogrammiert gewesen wäre. Kourouma lebte lange Zeit im Exil.

Unangenehme Wahrheiten, gespickt mit Humor

Camara Laye schrieb 1953 seinen ersten Roman, "Einer aus Kurussa", als Arbeiter in Paris. Das Buch wurde noch im selben Jahr gedruckt, erschien ein Jahr später auf Deutsch und wurde bald darauf in den Lektüre-Kanon Französisch-Afrikas aufgenommen. Seltsamerweise wollte keiner die antikolonialistische Sprengkraft erkennen, die in den Kindheitserinnerungen dieses jungen Schwarzen lagen.

Und auch die unangenehmen Wahrheiten, die Amadou Hampâté Bâ in "Wangrins seltsames Schicksal" preisgibt, bleiben ohne große Wirkung, vielleicht, weil er sie hinter sehr viel Humor versteckt, vielleicht aber auch, weil das Buch erst 1973 erschienen ist. Ein Klassiker sind die Erinnerungen des jungen Mannes, der im Norden Französisch-Afrikas eine politische Karriere wie aus dem Macchiavell'schen Lehrbuch hinlegt, auf jeden Fall. Teilweise stimmen sie mit den eigenen Erinnerungen von Amadou Hampaté Bâ überein, eine sehr vergnügliche, aber auch nachdenklich stimmende Lektüre von gut 900 Seiten, in zwei Bänden veröffentlicht: "Jäger des Wortes" und "Oui, mon Commandant!"

Die freimütige Darstellung der nigerianischen Eliten in seinem Roman "Die Ausleger" und seine dauernden Einmischungen in die Politik büßte Wole Soyinka mit Gefängnis, und auch Ngugi wa Thiongo beschrieb die Folgen des kenianischen Unabhängigkeitskampfes zu drastisch, um ohne Repressalien davonzukommen.

Service

Thomas Mofolo, "Chaka Zulu", Unionsverlag, ISBN 3293201849

Ayi Kwei Armah, "Die Schönen sind noch nicht geboren", Ullstein Verlag, ISBN 3548201784

Ahmadou Kourouma, "Der letzte Fürst", Peter Hammer Verlag, ISBN 3779500159

Camara Laye, "Einer aus Kurussa", Speer Verlag, Zürich

Amadou Hampâté Bâ, "Wangrins seltsames Schicksal oder die listigen Ränke eines afrikanischen Dolmetschers", Verlag Lembeck, ISBN 3874762327

Wole Soyinka, "Die Ausleger", Ammann Verlag, ISBN 3250300063

Amadou Hampâté Bâ, "Jäger des Wortes", "Oui, mon Commandant! Lebenserinnerungen", Peter Hammer Verlag

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