Von Natur- und Denkmustern
Nachdenken über Gott und die Welt
Eine Ordnung des Lebendigen und die Erklärung, wie unsere Denkmuster Anpassungen an Naturmuster sind - mit diesen beiden Theorien wurde Rupert Riedl bekannt. Am 22. Februar feiert der Zoologe und theoretische Biologe seinen 80. Geburtstag.
8. April 2017, 21:58
"Gott würfelt nicht", sagte Albert Einstein. "Tut er doch, aber er hält sich dabei strikt an seine Gesetze", meint Rupert Riedl. Als bedeutender Vertreter der Evolutionären Erkenntnistheorie versuchte der Zoologe und theoretische Biologe zuerst Ordnung in die Vielfalt des Lebendigen zu bringen, und dann die menschlichen Denkmuster als Adaptierungen an die Naturmuster zu beschreiben.
Mit Stiefel und Machete
Eine enge Eingrenzung auf Fachwissenschaften hat ihn dabei nie sonderlich interessiert. Ebenso wenig wie die einschränkende Kritik. "Wenn Du einmal für diese Gesellschaft etwas tun willst, kommt es darauf an, nicht an ihr Maß zu nehmen". - diesen Leitsatz seines Vaters hat sich Riedl seit jungen Jahren zu Herzen genommen.
Forschungsreisender wollte Rupert Riedl ursprünglich werden. Mit Stiefeln und Machete durch den Urwald, so hatte sich Riedl den Beginn seines physischen wissenschaftlichen Abenteuers vorgestellt - sein "Urwald" wurde einer der wenigen verbliebenen weißen Flecken auf der Landkarte: das Mittelmeer.
Bedeutung der wechselseitigen Kausalität
Mit ein paar Freunden hat sich Rupert Riedl 1948 auf den Weg nach Italien gemacht, zur Unterwasserexpedition Austria. Bei einer weiteren Expedition Anfang der fünfziger Jahre hat er dann die Meereshöhlen als besonderen Lebensraum genauer unter die Lupe genommen.
Dabei entdeckt er die Bedeutung der wechselseitigen Kausalität. Allein durch Zufall, so seine Theorie, können sich komplizierte Organismen nicht herausbilden. Irgendwie muss ein System auch aus seinen Produkten lernen, entsteht das Ganze nicht nur als Summe seiner zufällig entwickelten Teile, sondern erschließt sich der Sinn der Teile auch über das Ganze.
Erste Umrisse seiner späteren Systemtheorie zeichneten sich ab, an der Rupert Riedl sowohl in Wien als auch in den USA arbeitete. Das Buch "Die Ordnung des Lebendigen" erscheint schließlich 1973. Aus einer Vielzahl von Einzelbeobachtungen leitet Riedl ab, dass die komplexe Vielfalt der Organismen nicht allein durch aneinander gereihte aber voneinander unabhängige Zufälle entstanden ist.
Von Naturmustern zu Denkmustern
Von den Naturmustern schließt Rupert Riedl weiter auf die Denkmuster. 1979 erscheint die "Biologie der Erkenntnis", in der er die Evolution als Erkenntnis gewinnenden Prozess beschreibt. Wenn auch streckenweise etwas sperrig stößt das Buch dennoch auf so reges Interesse, dass in nicht ganz eineinhalb Jahren drei Auflagen verkauft werden. Vielleicht, weil Riedl sich darin auch der dem Menschen so nahen Frage nach der Evolution der Vernunft widmet.
Freundschaft mit Konrad Lorenz
Kurz vor Riedls "Biologie der Erkenntnis" war Konrad Lorenz' Buch "Die Rückseite des Spiegels erschienen" - der Versuch einer Naturgeschichte menschlicher Erkenntnis. Zwischen den beiden Biologen, die unter anderem das Wirken über ihre Fachgrenzen hinaus verbindet, entsteht eine Freundschaft, die aber immer auch ein Lehrer-Schüler-Verhältnis blieb.
Treffpunkt für die Gespräche und Seminare zur evolutionären Theorie der Erkenntnis war meist die Lorenz'sche Familienvilla in Altenberg an der Donau. Nach dem Tod des Verhaltensforschers 1989 gründete Rupert Riedl dort das Konrad Lorenz Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung.
Längst befasst sich Rupert Riedl schon nicht mehr mit biologischen Themen im engeren Sinne. Immerhin sei die Wissenschaft, so seine Überzeugung, in letzter Instanz dazu da, das Leben zu verbessern. Anleitungen dazu finden sich in fast jedem seiner jüngeren Bücher - auch in seiner Autobiographie. Nicht zuletzt sie machen deutlich, weshalb Rupert Riedl einer der gar nicht so vielen über seine Fachgrenzen hinaus bekannten - und umstrittenen Wissenschaftler Österreichs ist.
Buch-Tipp
Rupert Riedl, "Neugierde und Staunen. Autobiographie", Seifert Verlag, ISBN: 3902406127