Universalgenie ohne Scheuklappen

Der Physiker Herbert Pietschmann

Seine Vorträge über Musik, insbesondere das Werk Beethovens, sind beinahe ebenso bekannt wie seine berühmten Gleichungen. Das Vortragen und Lehren sind auch nach eigener Aussage des Physikers, Mathematikers, Philosophen und Autors zwei seiner Lebensquellen.

Herbert Pietschmann zu seinen jugendlichen Wünschen

Gäbe es heute noch Universalgelehrte, dann würde auch Herbert Pietschmann dazugehören. In mehr als 290 Veröffentlichungen hat sich der vor kurzem emeritierte Professor und Vorstand des Instituts für theoretische Physik der Wiener Universität nicht nur mit zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen in theoretischer Physik auseinandergesetzt, sondern auch mit Fragen der Philosophie, Medizin, Didaktik und Managementlehre.

Seine Lebensquellen

Im Mittelpunkt seines Schaffens steht für Herbert Pietschmann das Vortragen und Lehren. Nach eigener Aussage sind diese beiden Tätigkeiten zwei seiner Lebensquellen. Seine Vorträge beispielsweise über Musik, insbesondere über das Werk Beethovens, sind beinahe ebenso bekannt wie seine berühmten Gleichungen. Pietschmann selbst:

"Ich glaube, sagen zu können, dass ich ein kommunikativer Mensch geworden bin. Das war nicht immer so. Früher war ich eher kommunikationsscheu. Das hab ich überwunden. Kommunikation ist im weitesten Sinn für mich einer der Aspekte des Lebenssinns überhaupt. Deswegen ist es für mich selbstverständlich, dass, wenn immer Menschen das Bedürfnis haben, von mir etwas zu hören, ich dann auch bereit bin, etwas von mir zu geben. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass jemand danach fragt. Ich würde niemals irgendjemanden irgendetwas aufdrängen wollen. Ich habe mich im Laufe meines Lebens auch nirgendwo angeboten oder nachgefragt. Ich habe immer dort zugegriffen, wo sich Möglichkeiten geboten haben".

Der universelle Quantenmechaniker

Herbert Pietschmann ist nur schwer auf ein Fach festlegbar. Wenn er von Physik spricht und bestimmte Phänomene erklärt, dann kommt einem in seiner Anwesenheit alles ziemlich logisch und eigentlich einfach vor. Aber kaum ist er weg, und man kann nicht mehr nachfragen, wird wieder klar, dass Physik ein schwieriges Fach ist.

Pietschmann - Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Theoretische Physik in Wien - hat bei der Erforschung der subatomaren Bausteine Bahnbrechendes geleistet. Seither ist der Wiener auf der Suche nach den letzten Fragen von der Physik zur Philosophie und Religion vorgestoßen, was sich u. a. auch in seinem im Ibera-Verlag erschienenen Buch "Gott wollte Menschen" nachverfolgen lässt.

Über Sterblichkeit und Unsterblichkeit

Für Herbert Pietschmann geht es nicht nur um physikalische Gesetzmäßigkeiten, für ihn sind die dahinter stehenden Fragen interessant. Dies beweist er beispielsweise humorvoll mit der Beantwortung der Frage über Sterblichkeit und Unsterblichkeit:

"Mein Lehrer Erich Heintel hat immer gesagt: 'Bis Mitte 20 ist der Mensch unsterblich'. Natürlich weiß er in dem Alter zwar, dass er sterben muss, aber dieses bloße Wissen hat ja keine unmittelbaren Konsequenzen auf sein Leben. Ich weiß ganz genau, wann ich sterblich wurde: Als ich Mitte 20 mit meiner Familie übersiedeln musste, habe ich damals Vieles angesammelt gehabt und konnte unmöglich alles mitnehmen. Ich hab' also sortiert, was ich wegwerfen kann und was nicht. In einigen Fällen hab' ich mir gedacht, das möchte ich eigentlich wegwerfen. Und da ist mir so der Gedanke gekommen: na, das werd' ich eigentlich nie mehr brauchen. Das war der Moment, wo das erste Mal die Endlichkeit meines Daseins zum Handlungsmotiv wurde. Erst ab diesem Zeitpunkt war ich sterblich".

Über den Sinn im Leben

1980 erschien Herbert Pietschmanns Bestseller "Das Ende des naturwissenschaftlichen Zeitalters“, in dem er aufzeigt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Entwicklung der Gesellschaft und dem Fortkommen der Naturwissenschaft und dass nicht alles mit den Naturwissenschaften erklärt werden könne - zum Beispiel die Frage nach dem Sinn im Leben: "Ist etwa der Tod", so fragt Pietschmann, "der Gipfelpunkt des Lebenssinns, weil der Betroffene nicht mehr in sein Leben eingreifen kann?"

Als der Professor in einer Vorlesung über Albert Einsteins Zeitbegriff gefragt wurde, was seiner Meinung nach im Augenblick seines Todes geschehen würde, antwortete er: "Ich habe nicht die geringste Ahnung, aber mir ist alles recht“. Und Pietschmann heute über den Sinn des Lebens:

"Der Sinn des Lebens erschließt sich im Leben selbst. Leben kann glücken in der Liebe und kann daneben gehen, wenn man ein pestiger Mensch wird - sozusagen ..."

Mehr Informationen zu Herbert Pietschmann in Ö1 Programm

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

Link
Herbert Pietschmann