Weiße Mäntel und Stethoskope
Nur nicht krank werden
Ich hasse Ärzte! Hier darf ich das sagen. Und, weil ich gesund bin, darf ich das sagen. Und meine Hausärztin ist natürlich ausgenommen. Und sowieso jeder, der sich nicht oder doch angesprochen fühlt. Trotzdem, ich hasse sie.
8. April 2017, 21:58
Jawohl, ich hasse Ärzte. Und ihre Fürstentümer hasse ich: die Spitäler, diese hoheitlichen Rüstkammern und hochgefahrenen Maschinenarsenale. In letzter Zeit musste ich mehrmals da hinein, zum Glück nur für Reportagen, hinein in diese Gefängnisse, die oft als Pavillons getarnt sind inmitten von friedlichen Parks.
Dabei flog bestimmt nicht nur einer übers Kuckucksnest. Diese weißen Mäntel und Stethoskope, das geschäftige Herumeilen. Niemand hat Zeit, wie wenn Patienten nicht diejenigen sind, um die sie sich dreht, die ganze "Nur-wir-wissen-wie-wir-Euch-retten"-Staffage. Und, wenn Sie, die Patientin, der Patient, in Ihrer normalen Spitalsbeklommenheit, Schlange stehen in der Ambulanz, Leitstelle 6CB5, Station 1.3.5., Stock 6.2 - wenn Sie warten und endlich dran kommen, wehe, Sie antworten nicht wie aus der Pistole geschossen, und zwar so laut, dass man auch auf Ebene 8B27 Ihr Körperbefinden weiß. Warum sind Sie hier? Wie lange noch? Benehmen Sie sich! Setzen!
Dabei wissen sie doch auch nicht, wann wir sterben, die weißen Mäntel. Jedenfalls nicht genau.
Immer kehren sie den Chef heraus. Unlängst sagte mir ein Primar, er sei Arzt geworden, weil er in früher Jugend die Krankheit seines Vaters miterleben musste und dann den unausweichlichen Tod. Und sein Nichts-dagegen-tun-können. Also habe er die Ursachen wissen wollen, genau studieren wollen, was zur Krankheit geführt habe und wie man sie hätte verhindern können.
Da haben wir es schon, seine Überlegungen in Ehren! Kann man es verhindern, das Krankwerden? Kann man es verhindern durch viel Wissen, durch Gesundleben, durch Bravsein, vor allem Ärzten gegenüber? Kann man das Krankwerden wegtherapieren, noch bevor es im Bereich des Möglichen ist? In punkto Tod ist man ja noch nicht weiter gekommen.
Na ja. Ich habe jahrelang mit einem Arzt zusammengelebt. Er war ja ganz nett, nur leider Arzt. Hoffentlich kann er mich jetzt nicht lesen. Wenn ich Bauchweh hatte, sagte er: ich hätte nicht Bauchweh, ich sei nur so empfindlich. Wenn ich Kopfweh hatte, sagte er, ich hätte nicht Kopfweh, ich sei nur so kompliziert. Wenn ich krank war, sagte er, leg dich ins Bett und schlaf! Wenn ich sagte, verdammt, jetzt hilf mir endlich und gib mir was! sagte er (es ist mir egal, jetzt verrat' ich ihn; er ist eh schon ein Ex) er sagte doch glatt: "Tabletten sind nur was für Patienten! Die sonst nicht hinauszubringen sind bei der Ordinationstür." Ja, das sagte er. Und er sagte, philosophisch: "Meistens wird der Mensch von selbst gesund. Und wenn nicht, dann hilft die Medizin... im Grunde... auch nicht... wirklich."
So. Vielleicht hat er das alles nur gesagt, um Ruhe zu haben von mir. So wird's wohl gewesen sein. Oder kann man so wenig überzeugt sein von seinem Geschäft? Wenn er krank war übrigens - er war es selten, was die ärztliche Sensibilität, zumindest mir gegenüber, nicht gerade steigerte - wenn er krank war übrigens, war er sehr leidend. In diesem Fall traf zu, was er sagte: die Medizin half auch nicht wirklich. Nur ich. Ich musste hin und her rennen, mit Tee und guten Worten. Sie wissen schon, ist ja überall dasselbe.
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