Über die Schwierigkeit der Namensgebung
Der Mond ohne Namen
Fast alle Gesteinsbrocken, die durch unser Sonnensystem fliegen, haben einen Namen: sie heißen etwa "Ganymed" oder "2004 AS 2". Nur unser Mond nicht. Der heißt nur "Mond". Das kann's ja wohl nicht sein, meint unser Kolumnist.
8. April 2017, 21:58
Sogar unsere renitente Waschmaschine hat kürzlich von Freundin Petra einen Namen bekommen ("Poidi"). Die persönliche Ansprache soll das Unding milde stimmen.
Das ist nun zwar kein Maßstab für den künftigen Taufnamen des Erdmondes, aber immerhin.
Die Briten, die einst bei Stonehenge auf der astronomischen Himmelslauer lagen, hatten wohl keine Zeit, unserem Mond einen Namen zu geben. Sie haben nur geschaut. Die Griechen und Römer haben sich den Himmelskörper dafür sofort mythologisch eingenäht. "Selene" nannten die einen ihn, "Luna" die anderen. Die Kelten tauften ihn "Blodeuwedd".
Kurz und einsilbig
Letzteres taugt nun gar nicht als Vorbild. Es sollte ein kurzer Name sein, am besten einsilbig - man denke nur, welch Schwierigkeiten bei der kürzlichen Cassini-Huygens-Mission allein die richtige Aussprache des Saturn-Mondes "Titan" bereitete. Manche betonten den brodelnden Steinhaufen einmal auf der ersten, dann wieder auf der zweiten Silbe.
Nun ist der Mond darüber hinaus ein "Trans-Sexueller". Er ist männlich geworden, zumindest im Deutschen. Schon deswegen fällt der klingende, aber weibliche Name "Luna" aus.
Viereinhalb Milliarden Jahre ist er alt, unser Mond. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir ihn deshalb "Methusalem" taufen müssten. Schließlich ist er ja ein Kind der Erde, und wie so oft bei Nachwuchs das Produkt eines Unfalls. Ein Himmelskörper hat unseren Planeten gestreift und dabei ein Stückerl herausgeschlagen, das jetzt um uns kreist wie große Kinder um das Hotel "Mama".
Viele nennen den Mond, vor allem wenn sie sich eine Wortwiederholung ersparen wollen, den "Erd-Trabanten". Andererseits: hat man je eine Mutter gehört, die zum Sohn an ihrem Rockzipfel sagte: "Mein Mama-Trabant"?
Sprachlich hängt der Mond also wahrlich in der Luft.
"Jackie"
Auch Dennis Hope will ich nicht als Taufpaten des Mondes sehen. Der Amerikaner hat sich zwar 1980 im Grundstücksamt von San Francisco als Besitzer des Mondes eintragen lassen und vertreibt seine Mondparzellen nun über's Internet, 19,9 Dollar das Stück.
Aber was geschähe, hätte Hope eine Tochter namens "Jackie"? Wollen Sie abends zu einer "Jackie" in den Himmel starren? Und wenn Sie grad einen Schuldigen für Unwohlsein suchen, sagen: "Das ist sicher Jackie!" Oder: "Ich spüre wieder mal die Jacki!"
"Jackie-sensibel" statt "mond-fühlig"?
Nein, das lieber nicht.
Aus wär's auch mit Vollmond, Neumond, zu- und abnehmenden Mond. Wir würden sagen: "Jackie ist heute wieder voll", was zu einer Reihe von Missverständnissen führen könnte.
Vielleicht doch keine gute Idee
Aber vielleicht könnten wir uns dieses selbstverliebte Kopfzerbrechen ohnehin ersparen. Sehr wahrscheinlich wird man den Mond auch als Werbefläche entdecken.
Und dann darf jeder Konzern, der die Patenschaft für den Mond übernimmt, zehn Jahre lang dessen Namen bestimmen. In Anlehnung an "T-Mobile-Bundesliga", hieße das Gestirn dann vielleicht "Procter & Gamble-Mond", "Wella-Trabant" oder "Bank Austria-Satellit".
Hiermit ziehe ich meine Idee, dem Mond einen Namen zu geben, mit Bedauern zurück.