Am Rande und darüber hinaus
Grenzgänge
Diese Woche bat Leporello seine Gesprächspartner um eine Wortspende zum Thema "Grenzgänge". Für Robert Adrian X - der Pionier der Telekommunikationskunst feierte diese Woche seinen 70. Geburtstag - ist Grenzgängerei der Alltag der Künstler.
8. April 2017, 21:58
Robert Adrian X, Erwin Bauer und andere
Der Übergang von Fiktion zu Wirklichkeit, Erfahrungen in einem unbestimmbaren Raum, der Weg durch jene Orte und Nicht-Orte, die benachbarte Welten verbinden oder trennen - Grenzgänge können geografische oder virtuelle Erlebnisse sein. Leporello fragte diese Woche seine Gesprächspartner, welche Grenzerfahrungen sie bereits gemacht oder beobachtet haben.
25. Februar 2005: Alltag
Das ist etwas, wo man zwischen zwei Welten versucht zu leben und zu gehen, versucht zu überleben. Der Raum zwischen Kunst und Alltag ist ein klassischer Grenzgang. Das Problem vom Kunstmarkt, wie man die Familie ernährt usw. - diese Art der Grenzgängerei ist einfach der Alltag der Künstler.
Robert Adrian X, Künstler
23. Februar 2005: Neue Möglichkeiten
Ich würde sagen, dass das Leben grundsätzlich ein Grenzgang ist, weil es uns permanent herausfordert und immer wieder neue Möglichkeiten aufzeigt. Das heißt, wenn wir glauben, dass wir etwas bewältigt haben, kommt etwas Neues. Wir bewegen uns ständig auf der Grenze im Leben. Und das ist das Spannende und die Herausforderung gleichzeitig.
Erwin Bauer, Designer und Assistent an der Angewandten
23. Februar 2005: Gefahrenzone
Was mich an Grenzgängen interessiert ist, dass man da auch leicht abstürzen kann, dass das eine Gefahrenzone ist. Die Werke, die Grenzgänger produzieren, denen merkt man das vielleicht auch an. Darum sind Werke von Grenzgängern besonders spannende Werke.
Walter Pamminger, Designer, Designtheoretiker, Sammler
23. Februar 2005: Anselm Kiefers Vernichtung
Eine schöne Geschichte zum Thema Grenzgänge wäre der Anselm Kiefer, der deutsche Künstler, der in New York vor vier bis fünf Jahren in der Marian Goodman Gallery eine Ausstellung hatte, in der er alle seine Arbeiten, die er noch besitzt, auf einmal ausgestellt hat. Das war zwei Jahre nachdem er im Museum of Modern Art eine Riesenausstellung hatte.
Der hat unglaublich riesige Leinwände - zum Teil sind die 20 Meter lang, drei Meter hoch - und er hat alles auf einem Haufen aufgestellt, das heißt teilweise die Dinge wie Teppiche gerollt, die dann auf gespannten Leinwänden gelegen sind. Die haben sich wirklich gegenseitig zerstört durch ihr Gewicht, weil da auch teilweise Blei drauf ist. Im Prinzip kann man sich das so vorstellen: ein Raum 15 mal 15 Meter groß, sieben Meter hoch, mit einem sechs Meter hohen Berg von Arbeiten, der sich durch die Aufhäufung selbst zerstört hat. Und an der Wand ist nur gestanden "20 Jahre Einsamkeit".
Diese Vernichtung - das war an der Spitze seiner Karriere, wo jede Leinwand Millionen Dollars wert war - diese Vernichtung, also zum einen des Geldwertes, aber auch natürlich der eigenen Arbeit, und der Titel haben mich sehr berührt. Und das war gemacht von Herrn Kiefer, der da offensichtlich sehr an die Grenze gegangen ist. Ich glaube, dass diese Kraft sich eben in der Arbeit widergespiegelt hat, oder der Grund, warum ich berührt geworden bin, kommt aus dieser Kraft.
Stefan Sagmeister, Grafikdesigner
Download-Tipp
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Links
Robert Adrian X
Klasse Hickmann - "Design meets Sound"
Stefan Sagmeister
Marian Goodman Gallery
MoMA