Wie böse ist das internationale Finanzkapital?

Die Macht der Finanzmärkte

"Geld als Zauberstab und die Macht der internationalen Finanzmärkte" ist die jüngste einer langen Reihe von Publikationen, die sich kritisch mit dem Finanzkapital befassen. Das wirft die Frage auf, ob es wirklich so bösartig ist.

Statement von Buchautor Erich Kitzmüller

"Geld regiert die Welt". Dieses alte Sprichwort scheint auch heutzutage zu gelten, denn die magische Faszination, die von Geld ausgeht, ist mehr denn je ungebrochen. Wie also damit umgehen? Eine Antwort auf diese Frage geben der Sozialwissenschafter Erich Kitzmüller und Herwig Büchele in ihrem Buch "Das Geld als Zauberstab und die Macht der internationalen Finanzmärkte“. Sie werfen die Frage nach der ethischen Dimension des Finanzkapitals auf.

Die positive Funktion der Finanzmärkte

Finanzmärkte sind Orte, an denen Menschen, die Geld übrig haben, es Menschen, die es sich ausleihen wollen, zur Verfügung stellen. Dies erfolgt in Form von Aktien, Anleihen, und so weiter. Insofern erfüllen Finanzmärkte eine positive Funktion: Sie führen Kapitalanbieter und Kapitalnachfrager zusammen. Unternehmen können auf diese Weise Neuanschaffungen finanzieren und sich erweitern.

Die negativen Auswüchse

Problematisch wird es, wenn die Finanzierungen, die diesen Unternehmen, etwa in Form von Aktien, gewährt werden, sich nur noch danach richten, ob das Unternehmen den größtmöglichen Profit erwirtschaftet, und die Frage der Arbeitsplatzbeschaffung oder des Umweltschutzes in den Hintergrund rückt.

In der Folge richten Wirtschaftstreibende, getrieben von den Aktienkursen ihres Unternehmens, ihre Unternehmenspolitik immer mehr nach den Anforderungen der "shareholder value“ aus: Unter dem Druck der Profitmaximierung wird der jeweils kostengünstigste Standort gesucht, auch wenn dadurch Arbeitsplätze verloren gehen.

Aber in jenen Ländern, wohin die transnationalen Konzerne abwandern, sind nicht nur die Gehälter niedriger, sondern auch Arbeitsrechte und Ökostandards geringer. So kommt es, dass beispielsweise in Lateinamerika Menschen für internationale Konzerne zu sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten. Und die chemischen Emissionen der Großkonzerne berauben viele ihrer Lebensgrundlage.

Deregulierung schuld am Ungleichgewicht

Für diese Entwicklungen machen die Buchautoren die Finanzmärkte verantwortlich, deren Macht sich auf immer bedrohlichere Dimensionen ausdehne. Dieses Anwachsen sei vor allem durch die in den letzten 20 Jahren erfolgte Deregulierung des transnationalen Kapitals bedingt.

Bis in die 80er Jahre hinein waren die Börsen im Rahmen des sogenannten Bretton Woods Systems weitgehend reguliert. Es gab fixe Wechselkurse sowie Kapitaleinfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen. In den 80ern begannen die USA und danach Westeuropa, den Finanzmarkt zu deregulieren. Bis dahin konnte Wirtschaften als mehr oder weniger ausbalanciertes Dreieck zwischen den Interessen der Unternehmer, der Kapitalgeber- also auch der Finanzmärkte - und den Interessen der Gesellschaft - etwa Steuerabgaben und Arbeitsplätze - betrachtet werden.

Die Handlanger des Finanzkapitals

In den letzten 15 Jahren ging dieses Gleichgewicht verloren. Dadurch werden auch Politiker zusehends zu Handlangern des Finanzkapitals degradiert. So werden etwa die Steuergesetze immer mehr den Interessen der Kapitalinhaber angepasst: Die durchschnittliche Besteuerung von Unternehmensgewinnen ist in den Industrieländern seit 1985 von 51 auf 35 Prozent gesunken, die Besteuerung von Zinserträgen von 47 auf 33 Prozent, wie auch die globalisierungskritische Organisation Attac schreibt.

Durch Steuerschlupflöcher, Bilanzmanipulation und Stiftungen zahlen viele Großkonzerne kaum noch Steuern. Kleinverdiener werden hingegen immer stärker belastet. Weiters ist die Vermögenssteuer in Österreich die geringste der gesamten OECD, und das strenge Bankgeheimnis gibt ausländischen Anlegern die Möglichkeit zu steuerfreien Zinseinkünften.

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Buch-Tipp
Erich Kitzmüller, Herwig Büchele, "Das Geld als Zauberstab und die Macht der internationalen Finanzmärkte", LIT-Verlag, ISBN 3825882810

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