Ein nostalgischer Rückblick in die 70er Jahre
Tipitipitipso
Wer in den 70er Jahren Teenager war, hat Petula Clark verehrt, Caterina Valente nicht ernst genommen und Nana Mouskouri mehr als ignoriert. Die Zeit ist reif, die drei Damen und das, was sie wirklich können, in Erinnerung zu rufen und auch ins rechte Licht zu rücken.
8. April 2017, 21:58
CD-Ausschnitt mit Caterina Valente aus "Tipitipitipso"
Drei wohlbekannte Damen stehen im Mittelpunkt eines nostalgischen und zugleich rehabilitierenden Rückblicks in die 70er Jahre: Caterina Valente, Nana Mouskouri und Petula Clark. Nostalgisch, was den subjektiven Umgang mit der Zeit anlangt, rehabilitierend, weil der musikalische Aktionsradius der Drei ein weitaus größerer war, als die Musikindustrie damals zuließ.
"Bonjour Kathrin"
Vor nahezu einem halben Jahrhundert, nämlich 1957, bekommt Caterina Valente, Deutschlands Schlägersängerin Nummer Eins, ihre eigene Show mit dem Titel "Bonjour Kathrin", die sie mit anderen Stars und häufig mit ihrem Bruder Silvio Francesco gestaltet.
Dieses Jahr ist auch das Gründerjahr der EWG. Belgien, die BRD, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande sind dabei. Die CDS/CSU gewinnt die Bundestagswahlen überlegen und erreicht knapp die absolute Mehrheit. Konrad Adenauer wird zum dritten Mal Bundeskanzler. Sowohl in der DDR wie auch in der BRD wird die Arbeitszeit auf 45 Stunden pro Woche verkürzt. Die BRD hat ihre lang diskutierte Prostituiertenaffäre mit der Erdrosselung des verruchten Callgirls Rosemarie Nitribitt, viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zittern um ihren Ruf. Der Mord wird nie aufgeklärt.
Weibliches Wirtschaftswunder
Caterina Valente ist ein quirliges Multitalent, das mit seinem strahlenden Lächeln, seiner zwischen Exotik und Biederkeit changierenden Erscheinung nicht nur die Wünsche und Ideale der Nachkriegsgeneration personifiziert, sondern auch die "deutschen Tugenden": Pflichtbewusstsein und Anständigkeit. Sie ist Femme fatale, freche Göre, Paradiesvogel und androgynes Wesen zugleich.
Der deutsche Publizist Dieter Bartetzko schildert in seinem Buch "Caterina Valente - Das Lächeln der Republik zwischen Nierentisch und Mauerfall, erschienen im deutschen Taschenbuch-Verlag, die Geschichte dieses "weiblichen Wirtschaftswunders".
Spiegelbild der jungen Bundesrepublik
Wie ihr Image und ihre Erscheinung, so reflektieren auch ihre Hits, die Erfolge und Misserfolge dieser Zeit, die Träume und die Komplexe der Deutschen: immer schön brav bleiben, im eng gesteckten überschaubaren Rahmen einer Dreiminutennummer, in der das eigentliche Potential der Jazzsängerin unter den Teppich gekehrt wird, zugunsten von Happy-Peppy-Nummern wie "Wenn es Nacht wird in Paris, "Ganz Paris träumt von der Liebe, "Du bist Musik oder das Lied vom "Itsibitsi Teenie Weeni, Honolulu-Strandbikini.
Caterina, die Zweite, die ob ihres internationalen Erfolgs eine zeitlang in Deutschland geschmäht werden wird wie die Knef oder die Dietrich, Caterina, die Swingende, sie wird in der Sendung zum Zug kommen.
"The girl from Greece sings"
"Dieses Album mit Nana Mouskouri in New York aufzunehmen, war eines der unvergesslichsten Erlebnisse meiner gesamten Karriere,
schreibt Quincy Jones im Beiheft zur CD-Wiederveröffentlichung dieses 1962 in New York entstandenen Albums:
"Da kommt eine 25 Jahre junge Schlagersängerin aus Griechenland und will ausgerechnet mit mir und in New York ein Album mit Jazz-Standards aufnehmen ..."
Die "Callas der Unterhaltungsbranche"
Nana Mouskouri hat eine tolle Stimme, was ihr schnell das Etikett "Callas der Unterhaltungsbranche" einbringt; sie spricht neben Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch und ihrer Muttersprache auch erstaunlich gut Englisch; und: sie liebt den Jazz. Aber - so fragt sich damals Quincy Jones - ist der Schuh, sich an die Standards zu wagen, nicht zu groß?
Um sicherzugehen, was auf sie zukommen würde, zieht Jones drei Wochen lang mit der Mouskouri durch die Clubs von Harlem und Greenwich Village. Er stellt sie Sarah Vaughan vor und Ella, Dinah Washington, Duke Ellington und Miles Davis. In der vierten Woche gehen sie dann in die 42nd Street in die Broadway Studios und beginnen mit den Aufnahmen - 15 mehr oder weniger zum Standardrepertoire zählende Songs. Verblüffend mit welcher stimmlichen Gewissheit und musikalischen Selbstsicherheit die sonst so schüchterne junge Frau diese Aufgabe bewältigt.
Vom Kinder- zum Weltstar
Die Dritte im Bunde dieser "Spielräume-Spezial"-Sendung ist die Britin Petula Clark. Der ehemalige Kinderstar, der bereits 1950 in nicht weniger als 20 Filmen mitgespielt hat, avanciert als Schlagersängerin zum Weltstar. 1962 wird sie auch in Deutschland bekannt, als sie mit ihrem Schlagertitel "Monsieur" den ersten Platz in den Hitparaden erstürmt. Ihr wohl bekanntester Song "Downtown" wird insgesamt drei Millionen Mal verkauft.
Petula Clark, Jahrgang 1932, die Valente, Jahrgang 1931, und Nana Mouskouri, 1934 geboren - sie alle waren eine unendlich lange Zeit im Showbiz: drei Beispiele für Älterwerden, ohne alt zu werden.