Über die Beziehung von Jazz und Drogen

Rhythmen und Drogen

"Jazz und Drogen“ lautet eine beliebte Konstellation in der Welt der Medien. Dass der Jazz seine erste Blüte im Schatten der Prohibition erlebte, nämlich in Kneipen, die illegal Alkohol ausschenkten, ist aber wohl kaum den aufputschenden Rhythmen der Jazzmusik anzulasten.

"Caravan": Ausschnitt aus "The Best Of Thelonious Monk"

Jazzmusik hat ein Makel, welche sie von anderen Musikarten unterscheidet. Immer wieder wird sie in den Medien mit Drogen in Verbindung gebracht. Doch da gibt es keine kausalen Zusammenhänge.

The Jazz Age

Als in den USA die Prohibition ausgerufen wurde, entstanden überall illegale Kneipen, in denen Jazzmusik geboten wurde. Die große Zahl solcher Lokale ermöglichte zwar den Konsum von hochprozentigen Getränken und Drogen, sie trug aber auch wesentlich dazu bei, dass es eine Entwicklung des Jazz zur Kunstform gab. Das Verbot des Ausschanks von destillierten Getränken hatte zur Folge, dass das Alkoholismus-Problem in ohnehin tabuisierte Bereiche des Rotlicht-Milieus abgedrängt wurde. In solchen ist bekanntermaßen ein halbes Jahrhundert vorher der Jazz entstanden - in den Bordellen von New Orleans.

Allein in Mahattan gab es damals etwa 5.000 "Speak Easy“ genannte Kneipen, die illegal Spirituosen ausschenkten. Um konkurrenzfähig zu sein, boten sie auch Live-Musik. So verschaffte die Prohibition indirekt vielen Jazzmusikern Jobs. Das sogenannte "Jazz Age“ wurde bald zum Synonym für lockeres Leben, Sittenverfall und Drogenkonsum.

"The Uncrowned King of Swing"

Dass ein solches Leben nur wenige Jazzer führten, vor allem aber auch, dass es nicht von ihnen ausging, beschreibt Jeffrey Magee in einem neuen Buch über Fletcher Henderson, "The Uncrowned King of Swing“. Zunächst geht es um den Arrangeur, der Benny Goodman zum Titel "King of Swing“ verholfen hat. Aber die Rückblende macht die Verdienste von Fletcher Henderson deutlich: Als Bandleader holte er 1924 den Trompeter Louis Armstrong nach New York, was dessen Karriere beschleunigte. In Harlem lebten mehr Afroamerikaner als in jeder anderen amerikanischen Stadt, und diese waren eifrige Konsumenten der Schellacks mit Jazznummern.

Jefrrey Magee, Dozent an der Indiana University, beschreibt das Jazzleben im New York der 20er und 30er Jahre in eindrucksvollen Schilderungen. Er erzählt auch, wie der Palttenproduzent John Hammond die Geschichte des Jazz veränderte, indem er Fletcher Henderson mit Benny Goodman zusammenbrachte. Der intellektuelle, klassisch geschulte Klarinettist Benny Goodman wurde durch die Arrangements des schwarzen Jazzmusikers Henderson zum "King of Swing“.

Nichtraucher am Ende: Dizzy Gillespie

Die Havanna-Zigarre war gewissermaßen das Markenzeichen von Dizzy Gillespie, der die afrokubanischen Rhythmen in den Jazz einbrachte. Doch 1991, nach dem Tod von Miles Davis, wurde er zum militanten Nichtraucher. Schon Mitte der 70er Jahre hat Dizzy Gillespie sein Leben grundlegend verändert, womit auch sein Erscheinen in der Öffentlichkeit ein anderes wurde. Der "Clown des Bebop“ wurde ein ernsthafter Musiker, wohl aufgrund seiner Hinwendung zur Bahai-Religion.

Im 1990 erschienenen Thriller "The Winter in Lisbon" erzählt er von den Beweggründen, Amerika verlassen zu haben, vom Rassismus und Drogen und vom sozialen Druck, der Weggefährten wie Charlie Parker und Billie Holiday in den Tod getrieben hat. Und erstmals erwähnt er, wie viele afro-amerikanische Musiker ihr Heimatland verlassen mussten, um zu überleben.

Donald L. Maggin schildert das Leben von Dizzy "Birks“ Gillespie neu, indem er das soziale Gewissen des Musikers in der Veränderung seiner Karriere in den Mittelpunkt stellt. Sein Buch "Dizzy: The Life and Times of John Birks Gillespie“ erscheint demnächst bei Harper Entertainment.

Best of Prestige

Bücher geben auch Auskunft über die Hintergründe der Musikproduktion. Doch nichts kann die Atmosphäre der Zeit so wiedergeben wie die Musik selbst, die damals aufgenommen wurde. Daher sind Reissues so wichtig. Die Wiederveröffentlichung alter Alben bzw. die Herausgabe von "Best of“-Alben ist für die Major Labels zwar zunächst ein Mittel, mit minimalen Kosten Gewinne aus Archiv-Material zu erwirtschaften. Für Sammler bieten sie aber eine Möglichkeit, ihren Fundus zu erweitern, während sie für Neu-Einsteiger in bestimmten Stilen unerlässlich sind.

Soeben erschien eine "Best Of“-Serie des Label Prestige, das 1949 von George Weinstock gegründet wurde. In den Folgejahren dokumentierte er entscheidende Neuerungen im Jazz, sodass die Reissues, die gerade auf den Markt kamen, durchaus jedem Jazz-Fan zu empfehlen sind. "The Complete Pestrige Recordings“ von John Coltrane in einer 16-CD-Box und die entsprechende Miles-Davis-Box mit acht CDs sind sicher eine Sache für Spezialisten. Doch die neue "Best Of“-Serie bietet auch dem Jazz-Neuling eine Palette hervorragender Aufnahmen.

Buch-Tipps
Donald L. Maggin, "Dizzy. The Life And Times of John Birks Gillespie", Harper Entertainment 2005, ISBN 0688170889

Jeffrey McGee, "The Uncrowned King of Swing. Fletcher Henderson and Big Band Jazz", Oxford University Press 2004, ISBN 0195090225

CD-Tipps
Reihe "The Best of Prestige Records":
"The Best Of Thelonious Monk", PRCD 5706-2
"The Best of Eric Dolphy", PRCD 5708-2
"The Best of Jackie McLean", PRCD 5709-2

Miles Davis, The Complete Prestige Recordings 1951-56 (8-CD-Set), 8PRCD-012-2

John Coltrane, The Prestige Recordings (16 CD-Set), 16PRCD-4405-2

Links
Dizzy Gillespie
Fletcher Henderson
Thelonious Monk