Ein Porträt des scheidenden Generaldirektors

"Mister EVN" räumt Chefsessel

EVN-Chef Rudolf Gruber hat während seiner Amtszeit die österreichische Energiewirtschaft wie kein anderer geprägt. So hat er beispielsweise die EVN als einzige Landes-Energiegesellschaft an die Börse gebracht. Jetzt zieht er sich vom Tagesgeschäft zurück.

Exkusiv-Interview mit Rudolf Gruber

37 Jahre lang stand Rudolf Gruber an der Spitze des niederösterreichischen Landesenergieversorgers EVN. Vor kurzem räumte der mit 72 Jahren dienstälteste Generaldirektor Österreichs seinen Chefsessel und wechselt an die Spitze des Aufsichtsrates.

Mächtiger Energieboss und Zeitzeuge

Rudolf Gruber ist wohl einer der profiliertesten Persönlichkeiten der österreichischen Energiewirtschaft und gestaltete während seiner langjährigen Amtszeit Österreichs Energiepolitik wesentlich mit. Der EVN-Chef hat die niederösterreichische Strom- und Gasversorgung vom skandalträchtigen Sanierungsfall zu einem profitablen Landes-Energiekonzern mit Wasserversorgung und Abfallmanagement gemacht, der nun bereits in Osteuropa Fuß gefasst hat.

Der Atomkraftbefürworter

Gleich bei seinem Einstieg 1968 ging´s energiepolitisch um nicht mehr und nicht weniger als um die Atomkraft: Rudolf Gruber hat - in Übereinstimmung mit der ÖVP als auch mit der folgenden SPÖ-Regierung - den Bau des Atomkraftwerkes Zwentendorf stark befürwortet. Das "Nein" zur Atomkraft von 1978 akzeptiert Gruber als politischen Willensakt, wie überhaupt Zustimmung und Ablehnung der Atomkraft für ihn eine Frage der demokratischen Entscheidung, der Stimmung in der Bevölkerung ist, weniger eine philosophische oder wissenschaftliche Frage. Dass auch das Wasserkraftwerk Hainburg verhindert worden ist, bedauert Gruber. Auch hier sieht er ein politisches Versagen.

Kein Verfechter von Landesinteressen

Nach zahlreichen Konflikten mit dem mehrheitlich bundeseigenen Verbundkonzern und mit den Wiener Stadtwerken sieht sich Rudolf Gruber dennoch nicht als militanten Verfechter niederösterreichischer Landesinteressen. Er verweist auf zahlreiche gemeinsame Projekte, wie das Kohlekraftwerk Dürnrohr in Niederösterreich oder auf die Bildung der Österreichischen Stromlösung:

"Da gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen der niederösterreichischen EVN, der oberösterreichischen Energie AG mit Linz, der burgenländischen BEWAG und der Wienstrom auf der einen Seite und mit dem mehrheitlich bundeseigenen Verbundkonzern auf der anderen Seite".

Dass die Östererreichische Stromlösung noch nicht zum Abschluss gebracht wurde, bezeichnet er als "sehr bedauerlich". Nun seien die Eigentümer der Stromkonzerne, also der Bund und die Länder gefordert, eine Entscheidung zu treffen, so Gruber.

Vom Arbeiterbuben zum Spitzenmanager

Es war ein steiler Weg, den Rudolf Gruber vom Arbeiterbuben bis zum erfolgreichen Spitzenmanager zu gehen hatte: Den Besuch das Gymnasiums und das Jus-Studium neben einer Tätigkeit in einer Bank ermöglichten ihm Pflegeeltern. Gruber ist Mitglied der ÖVP und des Cartell-Verbandes. Schon mit 34 Jahren wurde er Generaldirektor der damaligen NEWAG und der NIOGAS, um die beiden Unternehmen zu sanieren. Später wurde daraus die Energieversorgung Niederösterreich AG, die unter seinem Einfluss als einzige Landesenergiegesellschaft 1989 an die Börse gegangen ist.

Exzellente Zukunftsaussichten

Stolz ist der scheidende EVN-Chef auch darauf, dass er 2001 die Waserkraft-Ehe des Verbund-Konzerns mit dem deutschen E.ON-Konzern verhindert hat. Sein Bekenntnis: "Die Wasserkraft muss den Österreicherinnen und Österreichern vorbehalten bleiben".

Die Zukunft der EVN scheint jedenfalls abgesichert. Die jährliche Rendite von elf Prozent kann sich sehen lassen. Vor kurzem hat die EVN den Kauf zweier bulgarischer Stromversorger abgeschlossen. Die Zahl der Stromkunden steigt damit von 800.000 auf 2,3 Millionen. Die Wachstumschancen sind exzellent: In Bulgarien verbrauchen die Haushalte durchschnittlich erst 200 Kilowattstunden Strom pro Jahr, in Österreich sind es bereits 3.500 Kilowattstunden. Ein glänzendes Geschäft, wenn in Bulgarien allmählich der Wohlstand und damit der Stromverbrauch zunimmt.

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