Zurück zum Kitsch

Vom Erkalten der Liebe im Kino

"Vom Suchen und Finden der Liebe", "Mathilde - Eine große Liebe": Das Kino hat wieder einmal die Liebe entdeckt. Schade nur, dass es an das Gefühl, das da heraufbeschworen wird, selbst nicht recht zu glauben scheint. Zum Verlieben sind die neuen Liebesfilme nicht.

Eine Sängerin verliebt sich so unsterblich in einen Schlagerkomponisten, dass sie ihm sogar in die Unterwelt nachsteigt. Eine junge Kriegerwitwe glaubt nicht an den Heldentod ihres Mannes und begibt sich auf detektivische Recherche nach dem Geliebten; die Geschichten, die die neuen Liebesfilme erzählen, scheinen das Hohelied der alles besiegenden großen Liebe zu singen. Doch ach: Kälter ward die Glut menschlicher Zweisamkeit im Kino nie heraufbeschworen. Im Grunde erzählen die beiden Filme, die man jetzt im Kino sehen kann, mehr vom Erzählen einer Liebe als von dieser selbst.

Verräterischer Kommentar

Verräterisch genug, dass sowohl der deutsche Film "Vom Suchen und Finden der Liebe" wie auch sein französisches Gegenstück "Mathilde" einen Kommentar benötigen, um überhaupt in Gang zu kommen. Bei Helmut Dietl ("Vom Suchen...") raunt ein allwissender Erzähler gleich zu Filmbeginn, dass die große Liebe zwischen Mimi Nachtigall und Venus Morgenstern (schon die Gespreiztheit der Namen sollte stutzig machen) begonnen habe wie jede andere Liebesgeschichte auch. Und "Mathilde" erzählt im gleichnamigen Film von Jean-Pierre Jeunet ("Amelie") dem Publikum ihre Odyssee gleich selbst, statt die Geschichte für sich sprechen zu lassen.

Angst vor dem Banalen?

Woher rührt dieses Misstrauen in die eigene Erfindung, warum fliehen ehrgeizige Filmemacher in postmodernes Rankenwerk, wenn sie nur davon erzählen wollen, wie zwei Menschen zueinander finden? Wieso bemüht Helmut Dietl Versatzstücke aus Märchen und Mythologie, wenn es ihm um so irdische Themen wie den Verlust eines Partners geht? Und warum braucht Jean-Pierre Jeunet eine nostalgisch eingefärbte Weltkrieg-I-Kunstwelt, um seiner Mathilde den Lebenspartner zuzuführen? Der Kitsch, der auf diese Art offenbar umgangen werden soll, er schleicht sich nur auf umso kunstgewerblichere Weise wieder ein.

Schlag nach bei der Klassik

Dabei ist das Kino ein durchaus legitimer Ort für die Evozierung des Gefühls. Allerdings nur, wenn man sich künstlerisch gleichsam dazu bekennt und nicht die Zitierung von Emotion schon für die Emotion selbst hält. Hollywood hat, wie so oft, auch hier vorgezeigt, wie's geht: Ein so wunderbarer Liebesfilm wie Clint Eastwoods "Die Brücken von Madison County" führt nichts anderes vor als die Liebe zweier Erwachsener - ihre Blicke, ihre Gesten, ihre Worte, die alles sagen. Und selbst für die in "Mathilde" versuchte Verbindung von Melodram und Kriegsepos gibt es, von "Vom Winde verweht" über "Dr. Schiwago" bis zu "Unterwegs nach Cold Mountain", schon zahllose geglückte Beispiele. Da wurde freilich alles riskiert, statt sich dramaturgisch distanziert abzusichern. Ganz ohne Liebe geht es eben auch im Kino nicht.

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