Aufstieg und Fall des "Sonnenkönigs"

Die Ära Kreisky

War es die charismatische Begabung Kreiskys oder das Bedürfnis der ÖsterreicherInnen nach einer Liberalisierung, die Bruno Kreisky zum "Sonnenkönig" machte? Ewige Fragen der Sozialwissenschaft, die Robert Kriechbaumer zu beantworten versucht.

"Seit den Tagen Victor Adlers", so der austro-amerikanische Historiker Fritz Kaufmann, "hat keine Persönlichkeit die Leitung der Partei übernommen, die weniger den populären Vorstellungen von einem Führer der roten Arbeiterpartei entsprach". Das wusste auch Bruno Kreisky, als er 1967 mit einer für sozialistische Verhältnisse geringen Zustimmung von 70 Prozent den Parteivorsitz übernahm. Als erster österreichischer Politiker jüdischer Herkunft wurde er Bundeskanzler. Über das Wagnis einer Minderheitsregierung gelang ihm bereits 1971 die Bildung einer SPÖ-Alleinregierung, die bis 1983 Wahlsiege verbuchen konnte.

Im Unterschied zu Josef Klaus, dem trotz seiner Seriosität und seinem Bemühen um Modernität der Mief des kleinbürgerlichen katholisch-konservativen und nicht mehr zeitgemäßen, (...) predigerhaften Messianismus anhaftete, erfüllte Kreisky durch seine Verankerung in der großbürgerlichen Tradition der Habsburgermonarchie die Sehnsucht einer Gesellschaft, die eine modifizierte (...) Form eines staatlichen Modernisierungsschubes mit dem Ziel einer Akkordierung der gesellschaftlichen und staatlich/juristischen Entwicklungen herbeisehnte.

"Neues Gesicht" erwünscht

Nach 1945 in den Verdacht der ideologischen Orthodoxie geraten, ging der innerparteiliche Reformschub vor allem von den Bundesländerorganisationen aus. Sie verlangten nach einem "neuen Gesicht", das diese Überleitung in eine liberale Zentrumspartei auch verkaufen konnte. Sie fanden es in Bruno Kreisky, den die austromarxistisch gesinnte Wiener Partei gerne im Exil gelassen hätte. Der welterfahrene, gutbürgerliche Sozialdemokrat Bruno Kreisky leitete ein liberales Reformprogramm ein und suchte gleichzeitig Formen des Radikalismus in der eigenen Partei zu integrieren.

Innerparteilich hat sein Aufstieg zum "Sonnenkönig" seine eigene Partei allmählich paralysiert. Sie wandelte sich zu einem Kanzlerwahlverband, der sein politisches Kultobjekt auf Händen trug, aber selbst in politische Apathie verfiel.

Große politische Skandale

Die 13 Jahre sozialistischer Alleinregierung gelten als Ära der großen liberalen Nachziehverfahren, aber auch der nicht minder großen politischen Skandale. Im Schatten der Macht bildeten sich politische "Eiterbeulen", die gelegentlich platzten. Erinnert sei an den AKH-Skandal, an die Lucona-Affäre, und an den Noricum-Skandal.

Obwohl sich Bruno Kreisky im Zenit seiner Macht befand und auch nicht persönlich in diese Skandale involviert war, ließ er sie zu lange gewähren:

Kreisky musste zu seinem großen Entsetzen feststellen, dass sich hinter dem Paravent der absoluten Mehrheiten und der damit verbundenen Macht Seilschaften und Cliquen bildeten, die in der Bewegung, der er mit so großer Hingabe gedient hatte, ein bloßes Mittel zum Zweck sahen und die seine lang praktizierte politische Loyalität missbrauchten".

Auf der "Insel der Seligen"

Neben den politischen Skandalen war es vor allem das Abflauen der wirtschaftlichen Hochkonjunktur, die der SPÖ-Regierung ab 1974 zu schaffen machte. Kreisky setzte auf Vollbeschäftigungspolitik und verleugnete lange das steigende Budgetdefizit.

Mit dem Einbruch des Krisenbewusstseins machte sich eine Dämpfung der rauschhaften Euphorie bemerkbar, die den charismatisierten Kanzler umgab. Bruno Kreisky verlagerte seine Aktivitäten verstärkt auf das Gebiet der Außenpolitik, wo er als aktiver Neutralitätspolitiker Österreichs Image als internationaler Begegnungsort zu verbessern suchte. Er engagierte sich aktiv in der Nahostpolitik, wo er etwa wichtige Schritte zur Anerkennung der PLO setzte.

Schlachtfeld polarisierter Meinungen

Bei so viel Glanz hat es die seriöse Forschung nicht leicht. Die Rezeption der Ära Kreisky ist noch immer ein Schlachtfeld polarisierter Meinungen, der nüchterne Blick durch Gralsritter der "Brunologie" oder unbarmherzigen Kritiker verstellt. Robert Kriechbaumer versucht, der Ära Kreisky in seinem umfangreichen Opus Magnum als akademischer Historiker gerecht zu werden und liefert damit einen spannenden Beitrag zur Durchbrechung hartnäckiger Interpretationsmauern.

Buch-Tipp
Robert Kriechbaumer, "Die Ära Kreisky. Österreich 1970-1983", Böhlau Verlag, ISBN 3205772628