Der Fisch stinkt vom (europäischen) Kopf

Darwin's Nightmare

Der Viktoria-Barsch gilt in westlichen Gourmetkreisen als Delikatesse. Unter welchen Bedingungen und mit welchen globalen Auswirkungen der Fisch nach Europa kommt, dieser Frage ist der österreichische Regisseur Hubert Sauper in seinem Dokumentarfilm nachgegangen.

Der so genannte Viktoriabarsch stammt ursprünglich nicht aus dem Viktoriasee. Er wurde dort ausgesetzt - mit verheerenden Folgen. Nicht nur die Artenvielfalt des Sees wurde dezimiert, sondern auch die traditionelle Fischerei durch die Industrialisierung des Gewerbes weitgehend zerstört. Nur ein Achtel der einstigen Fischer hat einen Job in den - längst auch vom Westen mitfinanzierten - Fischfabriken bekommen.

Ein Experiment also, aus dem Regisseur Hubert Sauper allgemeine Schlüsse zieht: "Der Film beschreibt einen Zyklus des Wahnsinns, denn jedes Mal wenn in einer armen Gegend in der südlichen Hemisphäre ein natürlicher Reichtum gefunden wird, in dem Moment sterben die Menschen dort elendiglich, werden ihre Söhne Soldaten oder Wachmänner und die Töchter zu Nutten oder Dienerinnen. Diese Logik zeichnet unsere heutige Zeit fast noch mehr aus als zu Zeiten des Kolonialismus."

Fatale Kettenreaktionen

Doch die Fischerei am Viktoria-See ist in "Darwin's Nightmare" nur ein Mikrokosmos, von dem aus Sauper die negativen Folgen einer weitergehenden Globalisierung in Kettenreaktionen nachzeichnet. Da streiten sich Straßenkinder um stinkende Fischabfälle, große Flugzeuge aus Europa übernehmen den Fischtransport eben dorthin, ihre Piloten wiederum sind Kunden bei den örtlichen Prostituierten.

Und wie eine Art Geheimnis liegt auch eine schwerwiegende politische Hypothese über dem gesamten Film, die Hubert Sauper letztlich bestätigt findet: iIn den Frachtfliegern von Europa nach Afrika werden Waffen in Bürgerkriegsgebiete, etwa in den Sudan oder Kongo, transportiert. Der Fischtransport zurück wird so nur zum Zusatzgeschäft.

Methode des intimen Gesprächs

Zum Inhalt passt die Form, und so setzt Regisseur Sauper seine Recherchen in düstere, grobkörnige Bilder um. Der 38-jährige Tiroler lässt in zahlreichen Interviews russische Piloten, hiesige Prostituierte, Fischereiindustrielle, aber auch afrikanische Politiker zu Wort kommen, knüpft Verbindungen zwischen dem lokalen Elend und westlicher Politik, nicht zuletzt der Weltbank. Jahrelang hat Sauper vor Ort Freundschaften geschlossen und daraus auch eine dokumentarische Methode des intimen Gesprächs entwickelt.

Ausbeutung bekommt konkretes Gesicht

Moralische oder explizite Botschaften möchte Hubert Sauper aber nicht vermitteln: "Natürlich habe ich selbst eine klare politische Position, aber der Zuseher im Kino soll seine eigene finden und an die wird er letztlich viel mehr glauben, als wenn ihm eine Botschaft vorgesetzt wird."

Der Film "Darwins Nightmare" berührt nicht zuletzt, weil er einerseits einen ungeschminkten Blick auf das Leben Einzelner am Viktoriasee wirft und damit zugleich den Opfern eines Systems von Ausbeutung und sozialer Verwahrlosung ein konkretes Gesicht gibt.

Film-Tipp
Darwin's Nightmare
Dokumentation, Österreich/Frankreich/Belgien 2004
Drehbuch und Regie: Hubert Sauper

Link
Darwin's Nightmare