L. A. Big Band & Jazzit Stage Orchestra
Keine Saurier im "Jazzic Park"
Als der Bebop nach 1945 mit seinen kleinen Besetzungen eine neue Jazzepoche einleitete, stagnierte der Markt für große Orchester. Durch die Vielfalt der Arrangements etwa eines Artie Shaw oder Dizzy Gillespie wurden die starren Grenzen wieder aufgelöst.
8. April 2017, 21:58
Das Jazzit Stage Orchestra: Ausschnitt aus "Session One"
Wieder war es in den Nachrufen auf Artie Shaw zu lesen, der in der Nacht zum 31.Dezember 2004 verstorben ist: Vor einem halben Jahrhundert sei die Big-Band-Ära zu Ende gegangen, worauf sich auch der Klarinettist und Big Band Leader Archie Shaw mit 45 Jahren in den Ruhestand begeben habe. Doch diese immer wieder kehrende Behauptung ist absurd anhand der Tatsache, dass es heute so viele Jazz-Orchester wie nie zuvor gibt. Auch neue Alben aus Österreich und internationale Re-Issues belegen dies eindringlich.
Most, Wein und Jazz
Im Herzen des niederösterreichischen Mostviertels liegt Aschbach Markt, unweit von Amstetten. Dort leitet Lois Aichberger die Musikschule des Ortes. Er studierte u. a. am Brucknerkonservatorium Linz und spielte im Jeunesse-Orchester Linz unter Welser-Möst. 1998 gründete der Trompeter die Großformation "Trompeteria und im Jahr darauf die Most Big Viertel Band. 2003 war das Gründungsjahr der L. A. Big Band, die nun ihr erstes CD-Album vorstellte.
"L. A. im Namen der Band steht für Lois Aichberger, und dieses Spiel mit den Initialen, die an die kalifornische Metropole erinnert, ist keineswegs anmaßend. Aichberger hat auch nicht im Sinn, amerikanische Orchester zu imitieren. Neben Nummern von Pat Metheny und vom kanadischen Posaunisten Ian McDougall sind es vor allem Kompositionen von Österreichern, die das Programm so spannend machen: Christoph Cech, Josef Wagner, Andy Pranzl und Hans-Koller-Preiträger Lorenz Raab loten gekonnt in ihren Stücken die Möglichkeiten der Big Band aus.
Aus dem Band-Stand des "Jazzit"
Welche kulturpolitische Bedeutung von (kleinen) Veranstaltern ausgeht, beweist das "Jazzit in Salzburg. 1981 wurden in der Elisabethbühne einige Jazzkonzerte veranstaltet. 1990 kam es zur Gründung des Vereins "Jazz im Theater - ars nova. In der Folge gab es 15 Festivals "Jazz im Theater. Aber es war immer ein nomadisches Unternehmen, das bei einem Dutzend anderer Veranstalter Unterschlupf fand. Nach Zwei Jahrzehnten des Vagabundierens wurde im Februar 2002 das eigene Lokal des "Jazzit:Music:Club eröffnet. Der fixe Band-Stand brachte es mit sich, dass das "Jazzit Stage Orchestra entstand, das nun seine erste CD mit dem Titel "Session One" vorlegt.
Mit kurzen Ausschnitten von Musik Count Basies wird die Professionalität betont. Doch das Programm weist ein anderes Ziel aus: eine neue, europäische Big Band-Ästhetik (oder vielleicht gar eine österreichische?). Speziell Komponisten wie Stefan Heckel und Christof Cech weiten die Ausdrucksmöglichkeiten dieses Orchesters deutlich aus und beweisen, dass das Bild der Big Band als mühsam wankender Saurier absolut falsch ist.
Wiederveröffentlichungen aus dem Schwarzwald
Erst spät wurden die Schatztruhen in Villingen im Schwarzwald geöffnet, um die legendären Aufnahmen des Toningeniers Hans Georg Brunner-Schwer auf CDs neu zu veröffentlichen. 1963 veröffentlichte er seine erste LP auf dem Label des SABA-Elektronik-Konzerns. Die Inhaberfamilie gönnte so ihrem Sohn eine kleine Spielwiese für den Jazz. Doch 1968 gründete Brunner-Schwer sein eigenes Label MPS, das bis Mitte der 80er Jahre an die 500 Aufnahmen veröffentlichte. Das Kürzel MPS wurde mit der Zeit unterschiedlich interpretiert, sinnvoll erscheint "Musik Produktion Schwarzwald. Heute werden die CD-Alben als "Most Perfect Sound Edition vermarktet, wie die folgenden Beispiele zeigen.
All Smiles - More Smiles - Fellini
Unter den Re-Issues des vergangenen Jahres gibt es einige Big Band-Alben dieses Labels, die - längst vergriffen - zur Legende wurden. Mit den Reprints der Covers sind sie nun endlich allgemein zugänglich:
Die Clarke-Boland Big Band unter der Leitung von Schlagzeuger Kenny Clarke sowie Arrangeur und Pianist Francy Boland nahm für MPS einige spektakuläre LPs auf. Allseits bekannte Jazzstandards bringen die beiden Alben "All Smiles und "More Smiles. Bolands atemberaubende Arrangements und die solistische Glanzleistungen garantieren rasant swingenden Big-Band-Jazz. Auch die Suite "Fellini 712" - eine faszinierend komplexe Hommage an Italien voller expressivem Jazz - ist neu erschienen.
Andere Klangfarben: Nelson Riddle & His Orchestra
Die ebenfalls 2004 auf CD wieder veröffentlichten Alben mit Nelson Riddle präsentieren ein ganz anderes Klangbild. Der legendäre US-Arrangeur, der mit Frank Sinatra, Nat "King" Cole, Ella Fitzgerald und zahlreichen anderen Stars zusammengearbeitet hatte, reiste 1973 für die Aufnahmen eigens nach München und kreierte dort einen für ihn ganz neuen, großartigen Jazz-Lounge-Sound. Auf "Changing Colors" hört man neben Riddles Bearbeitungen von Bossa-Nova-Hits wie Tom Jobims "Lamento" und Pop-Standards der 70er (etwa George Harrisons "My Sweet Lord" und Burt Bacharachs "Close To You") auch Riddle-Originale wie "São Paulo" und "Naomi.
Ganz anders dagegen entstand zur selben Zeit das Album "Communication. Deutsche Komponisten wie Erwin Lehn, Franz Grothe und Heinz Kiessling, aber auch der damalige "Newcomer Claus Ogermann schrieben eigens für dieses Projekt - und auch für den von ihnen bewunderten Arrangeuer aus Amerika - neue Nummern. Es ist faszinierend die beiden Alben zu vergleichen, sind sie doch nicht nur Zeugnisse der Jazzgeschichte in Deutschland sondern auch Dokumente einer neuen internationalen Zusammenarbeit, also der Zeitgeschichte. Nun gibt es die beiden Alben erstmals auf CD.
CD-Tipps
The Clarke Boland Big Band, "All Smiles", MPS-Records 2004, CD 060249814790
The Clarke Boland Big Band, "More Smiles", MPS-Records 2004, CD 060249814789
The Clarke Boland Big Band, "Fellini 712", MPS-Records 2004, CD 060249814805
Nelson Riddle & His Orchestra, "Changing Colors", MPS-Records 2004, CD 060249814794
Nelson Riddle & His Orchestra, "Communication", MPS-Records 2004, CD 060249814795
Links
L.ois A.ichberger Big Band
Alois Aichberger
Jazzit - Musik Club Salzburg
Jazzit Stage Orchestra
All Smiles
More Smiles
Fellini 712
Changing Colors
Communication