Die Dinosaurier des Jazz

Big Bands Spezial

Am Beginn des Zeitalters des Swing sind sie entstanden: die Big Bands. Dann folgte die Erfolgs-Ära der großen Orchester in der Zeit des Bebop, bevor die Dinosaurier des Jazz ausgestorben sind. Doch in Wirklichkeit gibt es heute mehr Big Bands als je zuvor ...

Dizzy Gillespie & Band: "A night in Tunisia" (Ausschnitt vom Salzburger Jazzherbst)

Während im Swingstil der Big Bands die Tanzmusik und Arrangements im Mittelpunkt standen, konzentrierte sich im nachfolgenden Bebop alles auf solistische Virtuosität. Als Miles Davis Mitte der 50er Jahre einen Alternativ-Stil - den Cool Jazz - populär machte, endete die Hochphase des Bebob. Aber obwohl die Erfolgs-Ära der großen Orchester damals zu Ende ging, gibt es heute mehr Big Bands als je zuvor.

Die Schüler als Bewahrer

Dizzy Gillespie gilt mit Charlie Parker als "Erfinder“ des Bebop in den 40er Jahren. Ein halbes Jahrhundert später, 1997, gründeten sieben Musiker, die einst in Gillespies Big Band mitwirkten die "Dizzie Gillespie Alumni All Star Big Band“. Die Idee dazu hatte der Bassist John Lee, treibende Kraft wurde der Trompeter John Faddis, der Lieblingsschüler von Dizzy.

Am 5. November 2004 traten die "Alumni“ - was man als "Lehrbuben“ übersetzen könnte - beim Salzburger Jazzherbst auf. Außer Lee und Faddis wirkten von Dizzys Wegbegleitern auch der Posaunist Slide Hampton und die Saxofonisten Frank Wess und James Moody mit.

Das Programm mit Nummern wie "Algo Bueno“, "Manteca“ und "Night in Tunesia“ bringt die Musik von Dizzy Gillespie, Quincy Jones, Ray Brown, Benny Carter u. a. keineswegs in "historischem Gewande“; sie klingt durchaus modern. Im Widerspruch dazu steht allerdings der Titel "The Sound of Be Bop“, der - medienwirksam - eine Rekonstruktion des Big Band Sounds der 40er und 50er Jahre suggeriert.

Unter dem Titel "Dizzy Gillespie Alumni All Star Big Band" läuft auch am Montag, dem 3. Jänner ab 19:30 Uhr in Ö1 die erste "On-Stage"-Ausgabe des neuen Jahres.

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Originale, originelle Big Band Sounds 2004

Auch neue Big Band-Alben waren im Jahr 2004 nicht selten. Unter den amerikanischen war ein wirklich verblüffendes zu finden: The Scott Whitfield Jazz Orchestra East "Live at Birdland“. Die Aufnahme entstand am 10. März 2003. Das war der 40.Geburtstag des Orchesterleiters Scott Whitfield und gleichzeitig der 100.Geburtstag des früh verstorbenen Kornettisten und Komponisten Bix Beiderbecke. Dessen Stück "In the Mist“ hat Whitfield so arrangiert, dass es nun tatsächlich nach Debussy klingt, dessen Musik auf Bix angeblich so großen Einfluss hatte. Whitfield hat hier, wie schon in früheren Projekten seine Fähigkeit bewiesen, stilistische Spezialitäten der Jazzgeschichte mit neuen Sounds zu kombinieren.

Big Band Poesie aus Wien

Zu den besten Alben des Jahres zählt “Big Band Poesie" des Vienna Art Orchestra. Matthias Rüegg komponierte zwölf Stücke auf der Grundlage von Zitaten der bedeutendsten Orchesterleiter der Jazzgeschichte wie Duke Eillington, Stan Kenton, Lionel Hampton, Gil Evans, Count Basie u. a., würzte sie mit Wendungen aus deren Werken, ohne Anbiederung, nur für Kenner gerade spürbar und schmeckte mit einer gehörigen Prise aktueller Elektronik-Sounds ab.

Das Resultat ist keineswegs historisierend. Im Gegenteil: Dem beinahe "klassischen“ Sound des Vienna Art Orchestra wurden neue Farben beigemischt, die eine Fluoreszenz der Klänge hervorrufen.

Der "Ö1 Jazznacht"-Tipp

Blues und Boogie sind wieder "in". Der deutsche Pianist Axel Zwingenberger, ein Pionier des Boogie, hat in Europa seinerzeit den Grundstein für einen Boogie-Boom gelegt. Martin Pyrker ist ein weiterer Pianist, der dem Boogie frönt und der ebenfall zahlreiche Anhänger und Nachfolger gefunden hat. Zu den zahlreichen jungen Pianisten, die sich dem Boogie mit Haut und Haar verschrieben haben zählen die beiden Österreicher Daniel Ecklbauer und Wolfgang Pöll. Pöll gastierte am 20. Dezmeber 2004 gemeinsam mit dem Schlagzeuger Dieter Mattersberger im Wiener ORF KulturCafe. Hier bewies der Pianist, der das Publikum wahrlich mitriss, dass der Boogie eine Musikform ist, die nach wie vor lebendig ist.

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CD-Tipps
The Scott Whitfield Jazz Orchestra East, "Live At Birdland", Summit Records
Vienna Art Orchestra, "Big Band Poesie", Emarcy Records

Links
Dizzy Gillespie Alumni All Star Big Band
Scott Whitfield
Karolina Strassmayer
Live at Birdland - Rezension
Big Band Poesie - Rezension