Ist Gott allmächtig?

Der Dekan

Bei jenen Gedanken, die Lars Gustafsson in seinem neuesten Roman in Form einer reichlich verwickelten, aber durchaus spannenden Geschichte zu zeigen versucht, handelt es sich um die Fragen nach der Allmacht Gottes und den Mechanismen des Bösen.

Schauplatz des Geschehens des neuen Romans von Lars Gustafsson ist ein Ort, den er selbst sehr gut kennt: die "University of Texas" in Austin, wo Gustafsson seit mehr als 20 Jahren als Philosophieprofessor tätig ist. Das Geschehen entwickelt sich aus der Konfrontation zweier Männer: der eine ist der Ich-Erzähler, ein junger Mann namens Spencer C. Spencer, auch er Philosophieprofessor; der andere ist der Dekan. Er ist die Persönlichkeit, um die sich alles dreht, die alle Fäden in der Hand zu haben scheint.

Der Dekan? Freilich. Von ihm erzähle ich gern. Ich will nicht behaupten, ich hätte ihn näher kennen gelernt in den Jahren, in denen ich als außerordentlicher Dekan bei ihm tätig war. Aber das eine oder andere habe ich doch gelernt.

Im Strudel der Ereignisse

Ohne zu wissen warum, wird Spencer eines Tages vom Dekan zum "außerordentlichen Dekan" ernannt, und kommt damit in engen Kontakt mit diesem geheimnisumwitterten Mann, der aufgrund einer Verletzung, die er im Vietnamkrieg erlitt, an den Rollstuhl gefesselt ist. Was zunächst als eher anspruchsloser Verwaltungsjob beginnt, entwickelt sich allmählich zu einem immer beängstigender werdenden Strudel von Ereignissen, der Spencer zu verschlingen droht.

Es ist nicht ganz leicht. Zu erzählen. Es ist nicht mein Metier. Aber wenn ihr Geduld habt, ihr vermutlich einzigen Zeugen, die ihr vielleicht eines Tages diese Papiere finden werdet, welche ich Tag für Tag in einer Schublade anhäufe, werde ich erzählen, was ich kann.

Philosophieren über Gott und die Welt

Seltsame Verkettungen von scheinbaren Zufällen, geheimnisvolle Schamanenkulte, mysteriöse Todesfälle, ein Mordkomplott und vor allem die scheinbar unbezwingbare Allmacht des Dekans sind die Themen von Spencers Aufzeichnungen, die - so die Fiktion - erst nach seinem endgültigen Verschwinden gefunden werden, lückenhaft sind und in keine schlüssige zeitliche Abfolge gebracht werden können.

Dieser fragmentarische, manchmal auch chaotische Charakter des Erzählens, der breiten Raum für Spekulationen lässt, verleiht der Geschichte einen eigenen Reiz. Die eigentliche Stärke von Gustafssons Buch aber sind jene Passagen, in denen er - wie er sagt - "Gedanken zeigt": Wenn der Dekan, meist ausgehend von seinen Vietnamkriegserlebnissen, über Gott und Natur philosophiert und dabei ein sehr pessimistisches Bild entwirft.

Gott ist nicht gut

Wiederholt finden sich Verweise auf Goethes "Faust", und die beiden Gegenspieler Spencer und Dekan bilden eine Art Faust-Mephisto-Konstellation. Dabei kommt Spencer die Rolle des stets zweifelnden, stets strebenden Faust zu, der durch ein Gretchen namens Mary Elizabeth auch zum Mord fähig wird und dem der Dekan - in der Mephisto-Rolle - eine Welt des Bösen präsentiert, über die kein guter Gott herrscht.

"Alles deutet ja darauf hin, dass Gott, wer immer das nun ist, ungern das Gute in die Welt eintreten sieht und alles ihm zu Gebote Stehende tut, um es zu verhindern. Wenn es anders herum wäre und Gott das Gute wollte, hätte das Gute längst alles erobert, was es gibt, alles, was sich ereignet und geschieht. Dies ist eine der oft vernachlässigten Konsequenzen des Theodizeeproblems.

Und im übrigen", fügte er hinzu, "habe ich nie begriffen, warum es ein Problem sein sollte."

Buch-Tipp
Lars Gustafsson, "Der Dekan", aus dem Schwedischen von Verena Reichel, Hanser Verlag, ISBN 3446205306