Pflicht und Kür eines Zweihändigen
Auf, zu.
Ohne die linke Hand wäre die rechte bei vielen Tätigkeiten ratlos. Wir Linkshändigen sind von Euch Rechtshändigen abhängig wie Adam von Eva und Blinde vom Blindenhund! Der Mittwoch-Kolumnist hat dralle Lider und muss über Analphabeten schreiben.
8. April 2017, 21:58
Letzte Woche wurde Kollege Peter Zimmermann in seiner Kolumne persönlich. Mir gefiel das ausgezeichnet. Er schrieb über nicht vollzogene Geschlechtsakte und peinliche Auftritte in betrunkenem Zustand. Ich schlich in sein Büro und sagte "schöne Kolumne!". Er lächelte in den Computerbildschirm. Heulend verließ ich das Gebäude. Zu Hause winselte ich mich in den Schlaf.
Ich mache nicht oft Komplimente. Jenes war offenbar in die Hose gegangen. Ich wusste, nun würden wieder Jahre ins Land ziehen, bis ich es wieder wagen würde, jemandem ein Kompliment zu machen. Weil es Kollegen Zimmermann peinlich war. Ich musste mir einen Blindenhund zulegen, meine Augen wollen nicht aufhören, vom Weinen geschwollen zu sein. Dies ist wiederum mir peinlich, und ich finde, jetzt könnte Kollege Zimmermann ein bisschen heulen. Meine drallen Lider klängen ab. Sie flehen denn nach Gerechtigkeit! Vergeblich.
Ich mag Hunde nicht. Auch meinen Blindenhund mag ich nicht. Ich vertraue ihm nicht. Das spürt er. Er beißt mich in die Ferse. Damit möchte er mir sagen: "Vertrau mir, du Kasperl!" - Ich wollte mir das nicht bieten lassen und hetzte ihm meinen gebrechlichen Kater an den Hals. Der Köter muss dafür büßen, dass Kollege Peter Zimmermann irgendwann zu viel getrunken hatte. Jetzt winselt das Vieh um Gerechtigkeit. Zur Strafe muss er mich durch den Christkindlmarkt vor dem Wiener Rathaus führen. Ich habe nie behauptet, ich wäre gerecht!
Immer versuche ich, so albern wie möglich zu schreiben, um zu verbergen, wie albern das ist, was ich schreibe:
Mein Leben wäre höllisch, hätte ich meine linke Hand nicht. Sie ist meine gute Fee. Komme ich alleine nicht weiter, taucht sie auf, um zu helfen. Also ist mein Leben himmlisch. Dann hilft sie mir.
- Du hast drei Wünsche frei.
- Ich wünschte, ich könnte die Hecken schneiden, mit der Heckenschere, also beidhändig.
Gute Fee kommt, linke Hand packt an.
- Ich wünschte, ich brächte den Reißverschluss der Hose zu.
Linke Hand hält da, rechte kann dort anziehen. Zu.
Auf, zu.
Pflicht und Kür. Im Sommer hatte ich mir die Rechte verstaucht, das Handgelenk, als ich den Fahrradlenker, den renitenten, geradeziehen wollte, weil er sich selbständig verdreht hatte. Ohne die Rechte konnte ich nicht schreiben. Schreiben ist wurscht. Alles, was auch die Linke kann, ist wichtig. Alles, was wichtig ist, kann die Linke auch. Was sie nicht kann, ist wurscht. Zähneputzen. Ansichtskarten aus den Dolomiten schreiben.
Schreiben ist Kür. In Österreich leben 30 Millionen Analphabeten. Wer nicht lesen kann, der kann nicht schreiben. Wer nicht lieben kann, wird nicht geliebt. Wer nicht hören will, muss fühlen. Gut so.
Sebastian S. aus Wien ist der Gewinner des letzten Preisrätsels. Ich hoffe, ihn mit meiner heutigen Kolumne ausführlich beglückt zu haben. Analphabeten, Herr S. aus Wien, - wir sollten Geduld mit ihnen haben. Sie sind nicht dumm. Zu Komplimenten sollten wir uns dennoch nicht hinreißen lassen.
Natürlich versuche ich auch immer, den Schluss so albern wie möglich zu halten. Der Schluss ist das Schwierigste in einer Kolumne. Harald Martenstein schreibt für die ZEIT tolle Kolumnen, aber Schluss ist ihm noch kein einziger gelungen.
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