Psychische Auswirkungen bei Extremberufen

Wer hilft den Helfern?

Feuerwehrleute, Soldaten, Katastrophenhelfer haben eines gemeinsam: Nach dramatischen Einsätzen besteht die Gefahr bleibender psychischer Schäden. Die Helfer werden selbst zu Opfern. In Innsbruck versuchen Psychologen, ihnen zu helfen.

Hans Graßmayr, Obmann der Freiwilligen Rettung Innsbruck

Zu jeder Tages- und Nachtzeit stellen Einsatzkräfte des Bundesheeres, der Feuerwehr, der Rettung und vieler anderer Hilfsorganisationen ihren Mann, wenn es gilt, in Not geratenen Menschen zu helfen. Im Mittelpunkt der Medien steht aber meist das Ausmaß der Katastrophen. Wer aber hilft den Helfern? Studien über die Verfassung jener Hilfskräfte nach ihren Einsätzen zeigen dabei Erschreckendes.

Katastrophen im Blickpunkt der Öffentlichkeit

Die Lawinenkatastrophe von Galtür, das Seilbahnunglück von Kaprun oder der Amoklauf an einem Erfurter Gymnasium: Berichten Medien von Katastrophen, werden zuerst die entstandenen Schäden, zum Beispiel an Häusern, Flugzeugen oder der Umwelt, gezeigt. Es werden Erklärungen über die Ursache und den Hergang der Katastrophe gegeben, und es wird die Frage nach den Schuldigen gestellt. Diejenigen jedoch, die in Katastrophen konkrete Arbeit leisten, Schäden verringern helfen, Sicherheit wieder herstellen und Leben retten - die Einsatzkräfte -, rücken nur selten in das Licht der Öffentlichkeit.

"Vergessene" Helfer

Nicht nur die Medien "vergessen" oft auf Einsatzkräfte. Häufig unterschätzen auch die Einsatzkräfte selbst die Belastungen, denen sie ausgesetzt sind. Um die Verletzten sorgen sich die Ärzte und Rettungskräfte. Aber Hilfe brauchen auch die Helfer. Doch nach dem Einsatz wird das Fahrzeug gereinigt, kehrt der Alltag wieder, bestenfalls werden noch ein paar Worte mit den Kollegen gewechselt.

Die Retter von Feuerwehr und Hilfsdiensten sind oft grausamen Bildern ausgesetzt, die ihr Leben gravierend verändern. Katastropheneinsätze hinterlassen bei rund zehn Prozent der Helfer schwere psychische Schäden. Vielfach kann das Erlebte nur schwer vergessen werden. Oft verändert es das Leben von Einsatzkräften - manchmal auch derart, dass sie nach den Ereignissen selbst zu Opfern werden. Auch Soldaten werden während ihrer Einsätze den unterschiedlichsten Belastungen ausgesetzt: Kriegsgräuel, Minen, Elend. Viele Soldaten kämpfen mit Spätfolgen: Sie kehren traumatisiert aus dem Einsatz zurück.

Posttraumatische Belastungsstörungen

Nach Auskunft des deutschen Psychiaters Dr. Karl-Heinz Biesold entwickeln durchschnittlich zwischen zwei und fünf Prozent der UN-Einsatzkräfte psychotraumatische Störungen. Auch nach Erfahrungen im österreichischen Bundesheer kehren bis zu fünf Prozent der Soldaten traumatisiert von ihren Einsätzen zurück. Biesold, Leiter der Abteilung Neurologie und Psychiatrie am Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg-Wandsbek, dazu:

"Ähnlich wie viele Einsatzkräfte bei Notfällen sind auch Soldaten nicht gewohnt, sich helfen zu lassen. Hinweise auf Probleme kommen häufig aus dem Umfeld der Betroffenen. Unbehandelt erkranken dabei viele Patienten schwer."

Posttraumatische Belastungsstörung nennen die Ärzte dieses Phänomen. Die Psyche schlage mit Konzentrationsstörungen zurück oder die Betroffenen fänden schwer wieder in ihren Alltag, beschreibt der Innsbrucker Psychologe Gernot Brauchle jene Symptome. Viele versuchten dabei beinahe instinktiv, die Erinnerung an das Erlebte zu vermeiden.

Dramatische Auswüchse

Der Psychologe des Österreichischen Bundesheeres, Bernhard Penz, beschreibt weitere Auswirkungen:

"Die Folgen können viel weitreichender sein und auch darin bestehen, dass die Betroffenen lange im Beruf ausfallen, in Frühpension gehen, sozial absteigen und/oder eine Sucht entwickeln. Sie ziehen sich zurück, trinken oder nehmen Drogen".

Manchmal schlägt das Erlebte auch auf die Familie durch und führt zu Folgeproblemen mit Partner oder Kindern. "In manchen Fällen zerbrechen auch die Familien der Helfer", erzählt Karl-Heinz Biesold.

Auch die Unfallhäufigkeit kann nach einem belastenden Einsatz signifikant erhöht sein. Die Folgen können jedoch noch dramatischer sein: Nach Kaprun haben zwei Helfer vor einiger Zeit Selbstmord begangen. Nach dem Massaker in Erfurt hat sich ein Mann aus der Einsatzleitung das Leben genommen.

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