Sonderwirtschaftszone der russischen Föderation

Kaliningrad - Russlands Insel in der EU

Eingezwängt zwischen den EU-Ländern Polen und Litauen, trägt die russische Enklave Kaliningrad mit seinen knapp eine Million Einwohnern schwer an der Isolation und kann nur mit russischer Finanzhilfe überleben. Bedeutendste Auslandsinvestition ist derzeit ein BMW-Werk.

BMW-Produktionsleiter Rolf Böttner zu den Standortvorteilen

Während Behörden und Politiker versichern, dass in den vergangenen Jahren viel unternommen und viel erreicht worden sei, schaut die Realität in dem zwischen den EU-Ländern Polen und Litauen eingezwängten Staliningrad anders aus: In der knapp eine Million Einwohner zählenden russischen Enklave herrschen Armut, Kriminalität und Korruption. Auch Drogensucht und hohe AIDS- und Tuberkulose-Raten sind traurige Realität, und der russische Traum von einem Hongkong an der Ostsee wird sich in den nächsten Jahren wohl kaum erfüllen.

Voller Widersprüche und Kontraste

Kaliningrad - das ehemalige Königsberg - ist eine Stadt, wie man sie heute in vielen Teilen Osteuropas vorfinden kann, eine Stadt, die nach dem Zerfall des kommunistischen Systems voller Widersprüche und Kontraste und seit dem EU-Beitritt Polens und Litauens vom russischen Kernland abgetrennt ist. Nach langen Verhandlungen zwischen Russland und der EU können Russen jetzt ohne Visum aber mit einem internationalen Reisepass von und nach Kaliningrad durch EU-Gebiet reisen. Auch Zollerleichterungen wurden unterdessen zwischen Moskau und Brüssel ausgehandelt.

Von Moskau und Investoren abhängig

Die Hauptstadt der gleichnamigen russischen Exklave trägt schwer am sowjetischen Erbe. Als Kriegshafen der Sowjetflotte war Kaliningrad militärisches Sperrgebiet. Die Industrie war fast ausschließlich auf die Erfordernisse der Marine abgestellt. Subventionen aus Moskau sicherten das wirtschaftliche Überleben. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brachte das Ausbleiben der Subventionen die Stadt schwer in Bedrängnis. Erst seit Mitte der 90er Jahre versuchte Moskau, Kaliningrad zu einer Handelsstadt zu machen.

Die Realität sieht aber anders aus. Kaliningrad ist weit entfernt von einer wirtschaftlichen Dynamik, und dies, obwohl die Stadt als Sonderwirtschaftszone der Russischen Föderation massive Steuervorteile genießt, die von ausländischen Investoren gern genutzt werden. Diese Vorteile nutzt auch der deutsche BMW-Produktionsleiter in Kaliningrad, Rolf Böttner. Seine Firma produziert in der Stadt seit 1999 Limousinen für den russischen Markt. Auch Firmen aus Litauen haben bereits zahlreiche Niederlassungen in Kaliningrad.

Zwischen Königsberger Dom und Betonruine

Vom einst blühenden Königsberg, einem europäischen Zentrum für Handel und Geistesleben, scheint jedenfalls nicht viel übrig. Das Stadtbild ist nach den verheerenden Bombardements im Zweiten Weltkrieg von trostlosen Wohnblocks geprägt. Von der Brücke über den Fluss Pregel im Zentrum Kaliningrads erblickt man zwei Bauten, die auf die ganze Widersprüchlichkeit der Stadt hinweisen: rechts des Flusses der 1333 im gotischen Stil erbaute, im Zweiten Weltkrieg zerstörte und seit 1992 in Renovierung befindliche Königsberger Dom, ein Anziehungspunkt für tausende Touristen; links des Pregel starrt einen die Fratze einer hässlichen Betonruine an: Das "Haus der Sowjets". Es sollte einmal das Rathaus werden. Das "Monster", wie es von den Kaliningradern genannt wird, wurde aber nie fertig gebaut.

"Mekka des Tourismus"

Die Region habe trotzdem ein "großes touristisches Potenzial" und könnte mit den "wunderschönen weißen Stränden und der wunderbaren Natur ein Mekka des Tourismus" werden, sagen Politiker. Auch das historische "Königsberg" ziehe noch Menschen an. Mit dem Taxi kann man sich am Abend gemütlich in eines der recht zahlreichen Restaurants oder Nachtlokale chauffieren lassen. Dort eröffnet sich dem interessierten Beobachter ein völlig anderes Bild. In einem Vergnügungszentrum ist alles auf allerhöchstem Niveau. Ein Spezialitäten-Restaurant, ein Casino und eine Disco bieten dem Besucher alle Annehmlichkeiten. Das Geld spielt hier keine Rolle. Der gut gekühlte Wodka fließt in Strömen.

Die isolierte "Mini-Sowjetunion"

Das ehemalige Königsberg kann als "Mini-Sowjetunion" betrachtet werden. Die mehr als 900.000 Einwohner verteilen sich auf 80 Nationalitäten, wobei die Russen mit etwa 80 Prozent die klare Mehrheit darstellen. Religiöse oder nationale Probleme hat es hier nach dem Zweiten Weltkrieg, als das ehemalige Ostpreußen der UdSSR zugesprochen und Menschen aus allen Teilen der Sowjetunion sich in Kaliningrad ansiedelten, nie gegeben.

Die Identität selbst scheint hier einen kleinen Widerspruch darzustellen. Zwar bekennen sich die allermeisten Einwohner als stolze Russen, definieren sich gleichzeitig aber als "etwas anders als die übrigen Russen". Alexander, 25-jähriger Lehrer, bringt es auf den Punkt: "Wir sind Russen und wir sind stolz darauf, aber wir denken ein bisschen anders und haben eine etwas andere Identität." Sein 21-jähriger Namensvetter fügt hinzu: "Die Menschen denken hier etwas freier als im Hauptgebiet der Russischen Föderation."

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

Links
Kaliningrad aktuell - dt. Internet-Zeitung
Deutsche Ezyklopädie
Russland intern - Kaliningrads Wirtschaft
Kaliningrad - allgemeine Infoseite