Kirche und Weltpolitik

Weltmacht Vatikan

Einst hatte die katholische Kirche - und damit der Papst - große Macht. Die schwand jedoch in den letzten 100 Jahren. Um nicht ganz in der Versenkung zu Verschwinden, begann der Vatikan, sich mehr weltpolitisch zu engagieren, beschreibt Ludwig Ring-Eifel.

1870 eroberten die Truppen des erst jüngst geeinigten italienischen Staates Rom und den Kirchenstaat. Der Vatikan musste sich fortan mit 0,44 Quadratkilometer bescheiden.

Zu Pfingsten 1889 wurde der Papst gedemütigt wie nie zuvor: Er musste die Provokation hinnehmen, dass vor seinen Toren am Campo de' Fiori das junge Italien eine Statue des 1600 dort hingerichtete Philosophen Giordano Bruno feierlich einweihte.

Veränderung durch Massenmedien

Papst Leo XIII. begriff die weitreichende Bedeutung dieser Geste: Die katholische Kirche war nicht nur vom jungen italienischen Staat, sondern von Aufklärung, Moderne und politischen Ideologien in ihren Grundfesten bedroht. Ihre Berufung auf ewige Werte, auf unveränderliche Glaubenssätze und ihr unendliches Beharrungsvermögen, mit dem sie noch jede Veränderung ausgesessen hatten, verlor an Bedeutung. Bannflüche und Drohungen waren lächerliche Protestmittel in Zeiten der Massenkommunikation geworden. So beschloss der Papst einen grundlegenden Modernisierungsschritt: Er schaffte sich eine moderne Telefonanlage an.

Widersprüchliches Handeln im Zweiten Weltkrieg

Die Aussöhnung mit Italien kam unter den Faschisten: 1929 besiegelten die Lateranverträge dem Vatikan eine hohe finanzielle Entschädigung für die verlorenen Territorien und er erhielt die völkerrechtliche Souveränität als Heiliger Stuhl und als Vatikanstaat. Der Vatikan anerkannte im Gegenzug den italienischen Staat - einen damals faschistischen. Als der Duce 1938 Adolf Hitler nach Rom einlud und ihm einen triumphalen Empfang bereitete, setzte der antinazistische Papst, noch immer Bischof von Rom, eine demonstrative Geste: Er verreiste auf sein Landgut.

Als wenig später konkrete Rettungsaktionen der Juden anstatt ironischer Gesten gefordert waren, verhielt sich der Vatikan widersprüchlich; wohl öffnete er Kirchen und Klöster für verfolgte Juden, schwieg aber, als vor seinen Augen über 1000 jüdische Römer deportiert wurden. Was allerdings der Autor gänzlich verschweigt, ist der Umstand, dass der Vatikan seine Klostertore nach 1945 auch für zahlreiche hohe Nationalsozialisten öffnete, um sie über die Klosterrouten außer Landes zu bringen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte der Vatikan einen weltanschaulichen Zweifrontenkrieg gegen den kommunistischen Osten und die "Amerikanisierung" des Westens, wo Feminismus, Pille, wilde Ehen, Priestermangel und Kirchenaustritte en masse das katholische Abendland in "religiöse Wüsten" zu verwandeln drohten.

Zwielichtige Bankgeschäfte

Auf dem Weg zur "Weltmacht" gab es noch andere Krisen zu überwinden. Nicht nur war der Vatikan Aktionär bei Pharmafirmen, die ihre Gewinne aus dem Verkauf von Verhütungsmitteln erzielten, sondern die Vatikanbank IOR selbst war in mafiöse Finanzskandale involviert. Dieses merkwürdige Geld- und Geldwäscheinstitut genoss weltweit eine einzigartige Stellung, da es von keiner Justiz kontrolliert werden konnte.

Zweimal hatte die Vatikanbank mit undurchsichtigen Finanz-Jongleuren Geschäfte gemacht, zweimal hatte sie viel Geld und Ansehen verloren und beide Male endeten die Affären mit Ereignissen, die Kriminalromanen zu entstammen schienen. Dass Johannes Paul II. trotz des immer dichter werdenden Skandals und des allgemeinen Drängens nicht rasch und entschieden aufräumte, hing zum einen sicher mit der schwierigen Lage in Polen zusammen, für die der Vatikan eine schwarze Kasse brauchte.

Engagement in Osteuropa

Der Aufstieg zur Weltmacht kam über die Menschenrechte und über das Engagement in Osteuropa. Doch um die Diktaturen mit einem Pochen auf den Menschenrechtskatalog aushebeln zu können, musste der Vatikan zuerst selbst die Seite wechseln, denn bisher hatte der Heilige Stuhl die Idee von der Gewissensfreiheit der Individuen bekämpft. Nun wurde die Synthese von Menschenrechten und kirchlichem Glauben in politisches Handeln übersetzt und damit - geht es nach der vatikanischen Selbstdarstellung - die Wunderwaffe zum Sturz der Diktaturen gefunden.

In diesem Sinne ist das Buch des Vatikan-Experten Ring-Eifel, Redakteur der Katholische Nachrichtenagentur KANN, semi-kritisch zu nennen.

Buch-Tipp
Ludwig Ring-Eifel, "Weltmacht Vatikan. Päpste machen Politik", Pattloch Verlag, ISBN 3629016790